: Hybrid gegen Schrott
AUTOS Die „Umweltprämie“ wird ihm nichts nützen. Doch der neue Honda Insight Hybrid könnte trotzdem Erfolg haben: Wenn saubere Autos schick werden
VON PETER UNFRIED
Mit Ende fünfzig gönnte sich der Manager einen Touareg, das ist ein riesiges Auto von VW. Als er an der Ampel eine dreißig Jahre jüngere Frau sah, grinste er auf den Gehsteig rüber. Tatsächlich lächelte sie zurück, kam auf seinen Touareg zu – und spuckte auf die Motorhaube. Er stieg umgehend auf einen kleineren Audi um.
Diese schöne Geschichte hat kein Ökoevangelist erfunden. Ein Autolobbyist hat sie neulich auf der Automesse in Leipzig erzählt, um die Veränderungen zu beschreiben, die sich gerade auf dem Bewusstseinsmarkt für Autoleitbilder vollziehen.
An diesem Wochenende kommt der Honda Insight Hybrid auf den Markt – als Ökoauto entwickelt in der Zeit vor der Wirtschaftskrise, als das Wort Abwrackprämie noch niemand kannte. Umso drängender stellt sich die Frage, ob es eine langfristigere Entwicklung gibt, von der Wagen dieses Typs profitieren können.
98 Prozent allen mobilisierten Verkehrs basiert auf der klimafeindlichen Verbrennung des fossilen Brennstoffs Erdöl. Noch ist die gesellschaftliche Ächtung von spritfressenden Kohlendioxidschleudern nicht sehr verbreitet. Aber, sagt der Sozialforscher Andreas Knie vom Wissenschaftszentrum Berlin: „Der Trend, dass man mit dicken Autos sein Image ruiniert, wird sich immer mehr durchsetzen.“ Noch relevanter dürfte eine andere Entwicklung sein: „Die individuelle Mobilität wird auch künftig große Bedeutung haben, aber ihr Stellenwert wird sich insbesondere in Trendsettermilieus und urbanen Kontexten verändern“, wie Harald Preissler von der Daimler-Zukunftsforschung Society and Technology Research Group das nennt.
Grund ist offenbar nicht nur ein wachsendes Ökobewusstsein aufgrund von Klimawandel und Energiekrise. Viele digital vernetzte Großstadtjugendliche brauchen kein Auto – weder um damit zu fahren, noch um anzugeben. Zum Vorzeigen haben sie andere technische Geräte. Unlängst, so erzählte der Lobbyist in Leipzig, bekam einer für sein Abitur ein Auto. Seine Reaktion: „Das hätte es aber nicht gebraucht.“ Ein Horrorszenario für die Autoindustrie.
Vielleicht sind die deutschen Automanager, so wurde kürzlich auf einer Tagung des Wissenschaftszentrums in Berlin gemutmaßt, ohnehin längst „mental in China“, dem Automarkt der Zukunft. Bis 2050 sollen weltweit statt 800.000 Millionen Autos 2 Milliarden rumfahren. Die Tagung der Sozialforscher endete mit offenen Fragen: Kommen die vielen neuen Autos tatsächlich? Wie werden sie angetrieben? Wer wird sie wo bauen? Was wird aus den 15 Millionen Arbeitsplätze in Europa? Bringt die Wirtschaftskrise – wenn es die viel größere Klima- und Energiekrise nicht tut – Veränderung? Oder konzentriert auch sie die Kräfte auf die Bewahrung überkommener Strukturen? In letztere Kategorie reihen ihre Kritiker die „Umweltprämie“ ein, auch Abwrackprämie genannt. Damit subventioniert der Staat im Umfang von 5 Milliarden Euro den Kauf eines Neuwagens, wenn dafür ein älteres Auto verschrottet wird. Wo ist der Umweltfaktor, wenn eine CO2-Vorgabe fehlt und ein energetisch aufwendig hergestelltes und funktionierendes Produkt verschrottet und durch ein neues ersetzt wird? „Es findet eine Marktverlagerung Richtung Kleinwagen und dadurch CO2-Minderung statt“, sagt Hans-Peter Wandt, Berater von Toyota.
Das zuständige Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle hat verkündet, welche Marken die Abwrackprämienjäger kaufen (1. VW, 2. Opel, 3. Hyundai). Genaue Zahlen zum Ökofaktor fehlen. Da Marken wie Hyundai und Dacia Erfolge melden, glaubt auch Gert Lottsiepen, Experte beim Verkehrsclub Deutschlands, dass verstärkt kleine, billige Autos kommen. In der Regel aber bedeute billig: „kein ökologisches Premiumauto“, sondern veraltete Technik und damit immer noch viel zu viel Verbrauch.
„Die Umweltprämie nutzt nicht den hochwertigen Ökoautos“, sagt Toyota-Mann Wandt. Keiner kauft damit einen Prius. Der Vorzeige-Hybrid von Toyota (ab 25.500 Euro) spreche generell eine „andere Kundenschicht“ an. Im Sommer kommt die dritte Version des Prius heraus. Mit offiziellen 89g/km CO2 und 3,9 Litern Benzin auf 100 Kilometer stößt er dann in die Bereiche eines „3-Liter-Autos“ vor. Das Auto soll künftig nicht nur Öko-Opis ansprechen, sondern durch das neue Design jüngere Zielgruppen gewinnen und den Absatz in Europa auf 100.000 Stück pro Jahr steigern.
Auch beim Hybrid-Konkurrenten Honda Civic spielt die Abwrackprämie keine Rolle. Der Civic Hybrid (109g/km CO2) ist dafür auch zu teuer (ab 23.000 Euro). Und zu marginal. Der Wagen hat sich 2008 in Deutschland 784-mal verkauft. In den Niederlanden dagegen 7.000-mal, was daran liegt, dass es dort einen wirklichen Ökoanreiz gibt: eine Autosteuerbefreiung beim Kauf eines Benziners unter 110 Gramm Kohlendioxid pro Kilometer. Das macht bei dem Honda Civic 6.400 Euro Ersparnis.
Nun bringt Honda den neuen Insight Hybrid als „Volks-Hybrid“ in Stellung – gegen den teureren Prius. Der Insight (101g/km CO2) beginnt bei 19.550 Euro. Im taz-Test machte der Insight einen guten Eindruck. Mit professioneller Fahrweise kann man den Automatik mit 4,7 Litern Benzin fahren (bei etwa 110 km/h auf der Autobahn). Angenehm: die perfekte Start-Stopp-Automatik, mit der sich der Motor an der Ampel leise und ohne Ruckler aus- und anschaltet. „Wir glauben, dass der Insight auch ohne Umweltprämie eine Chance hat“, heißt es bei Honda.
Zunächst wird auf dem Massenmarkt aber abgewrackt, dank der Merkel-Regierung und den angeschlossenen Lobbygruppen. Klar scheint, dass es mit dem klassischen Premiummarkt abwärtsgeht. „Wenn die Premiumhersteller sich nicht deutlich verändern, werden sie nicht überleben“, sagt Sozialforscher Andreas Knie. Das meint die Überwindung der Fixierung auf Verbrennungsmotoren zugunsten anderer Antriebe einschließlich Elektroauto.
„Bei einer Umdefinition des Premium-Verständnisses“, sagt der Daimler-Zukunftsforscher Harald Preissler, „könnte die Energiebilanz künftig ein wichtiges Imagekriterium sein.“ Je mehr öko, desto mehr Premium? Wenn selbst Daimler das erwägt, scheint es ernst zu werden.