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Archiv-Artikel

Streiten für das Gymnasium ab Klasse vier

PROTESTDEMO In Hamburg gehen Eltern gegen die geplante sechsjährige Primarschule auf die Straße. Sie wollen das Gymnasium-Wahlrecht nach vier Jahren Grundschule beibehalten. Beobachter spotten: „Porsche-Demo“

AUS HAMBURG KAJA KUTTER

Nur weil einer im teuren Wagen zum Demo-Vorbereitungstreff anreist, muss er nicht schlechte Argumente haben. Doch der Elternprotest, der für heute in Hamburgs City angemeldet ist, wird schon als „Porsche-Demo“ bespöttelt. Nicht nur, dass diese Gefährte gesichtet wurden. Den Aufruf zur Demo unterzeichneten viele Eltern aus den vornehmen Elbvororten, darunter Anwälte und PR-Spezialisten.

Die Protestveranstaltung richtet sich gegen die vom schwarz-grünen Senat geplante sechsjährige Primarschule, die ab 2011 kommen soll. Damit wird die Möglichkeit für Eltern, ihre Kinder nach vier Jahren Grundschule auf das Gymnasium zu schicken, abgeschafft.

„Eltern werden entmündigt!“, protestiert das Demo-Bündnis. „Unser Elternwahlrecht wird abgeschafft.“ Eltern dürften nicht mehr entscheiden, welche weiterführende Schule ihr Kind besucht. Und statt der bisherigen 50 Prozent dürften „nur 30 Prozent aufs Gymnasium“.

Letzteres ist eine unbelegte Behauptung. Die grüne Schulsenatorin Christa Goetsch beteuert in einem Brief an alle Schulen, dass keine solche 30-Prozent-Grenze geplant sei. Richtig ist aber, dass alle Kinder zwei Jahre länger gemeinsam lernen, bevor es in Klasse 7 eine Aufteilung auf Stadtteilschule und Gymnasium gibt. Ob ein Kind gymnasialberechtigt ist, entscheidet die Zeugniskonferenz. Allerdings können Kinder auch auf der Stadtteilschule Abitur machen – dort allerdings erst nach 13 Jahren, auf dem Gymnasium hingegen schon nach 12 Jahren.

Die Argumente für und wider diese Regelung werden in Hamburg seit einem Jahr gewälzt. Die oppositionelle SPD zum Beispiel streitet dafür, den Eltern diesen Spielraum zu lassen. Die Spitze der SPD-Bürgerschaftsfraktion unterstützt sogar die heutige Demo, obwohl die Partei eigentlich die „Schule für alle“ will.

In Fachkreisen wird das Elternwahlrecht kritisch gesehen. Ein Recht auf Gymnasium in Klasse 7 gab es auch bisher in Hamburg nicht. Nach Ende der fünften und sechsten Klasse fliegen Kinder, die schlechte Noten haben, vom Gymnasium. Hamburgs frühere Schulsenatorin Rosie Raab (SPD) nennt diese Selektionsphase ein „zutiefst unpädagogisches System“. Künftig soll so eine Unsicherheitsphase entfallen. Auch die Gymnasien übernehmen Verantwortung, indem sie die Kinder von Klasse 7 bis 10 behalten. Doch gäbe es davor ein Elternrecht, so fürchtet Raab, würde die Schulwahl „noch stärker von der sozialen Herkunft gelenkt“.

Die aktiven Eltern in den Elternvororten müsste diese Frage nicht kümmern. Dort sind die häuslichen Voraussetzungen so gut, dass fast alle Kinder eine Gymnasialempfehlung bekommen. Doch es regt sie anderes auf. Schulprofile, wie etwa Latein oder ein Chor ab Klasse 5, können dort künftig erst zwei Jahre später beginnen. „Was nützt ein Schulchor, wenn die Kinder im Stimmbruch sind?“, fragt ein Vater. Die Schulsenatorin will dies lösen, indem sie Profile wie Chor oder Latein schon in der Primarschule anbietet. Wie das alles zusammenpasst und welche Schule mit wem kooperiert, wird noch bis zum 15. Mai in 22 regionalen Schulkonferenzen beraten.

Zu viel Chaos, viele „Experimente auf dem Rücken der Kinder“, halten die Kritiker dagegen, die als Logo eine missmutig dreinblickende Anti-AKW-Sonne, schwarz vor grünem Grund, mit der Aufschrift „Schulchaos – nein danke!“ wählten. „Wir müssen die Grünen mit ihrer eigenen Sprache schlagen“, sagte eine Frau aus der Demo-AG auf dem Vorbereitungstreffen. Man gehöre einer Generation an, „die nie auf die Straße gegangen ist“. Darum gibt es nun Basteltipps für Transparente im Internet.