: Formsache wird ideologische Kampfzone
Ein moderater republikanischer Senator soll turnusgemäß den Vorsitz des Justizausschusses im US-Senat übernehmen. Das löst erbitterten Widerstand der bei den Wahlen vom 2. November erstarkten christlich-konservativen Rechten aus
BERLIN taz ■ Zwei Wochen nach dem Sieg der US-Republikaner bei den Präsidentschafts- und Kongresswahlen ist der erste offene Streit zwischen konservativen und moderaten Republikanern um einen Posten im US-Senat entbrannt. Es geht um den wichtigen Vorsitz des Justizausschusses: Der ginge nach allen Gepflogenheiten an den dienstältesten republikanischen Senator im Ausschuss, den 74-jährigen Arlen Specter aus Pennsylvania. Der aber gilt dem christlich-konservativen Flügel als viel zu moderat, bestimmt doch der Justizausschuss die Agenda, nach der der Senat die Nominierungen des Präsidenten für freiwerdende Stellen im Obersten Gerichtshof verhandelt.
Allgemein wird damit gerechnet, dass Präsident George W. Bush im Laufe seiner beginnenden zweiten Amtszeit bis zu vier der neun Posten im Obersten Gerichtshof neu vergeben kann. Die christliche Rechte, deren hoher Mobilisierungsgrad bei diesen Wahlen Bush die entscheidenden Stimmen Vorsprung vor seinem Herausforderer John Kerry gebracht hatte, fordert in erstaunlicher Offenheit vom Präsidenten, den Gerichtshof mit konservativen Richtern neu zu besetzen, die etwa die Grundsatzentscheidung über die Zulässigkeit von Abtreibungen, das berühmte Urteil „Roe v. Wade“ von 1973, rückgängig machen könnten. Eben dagegen hatte sich der „Pro Choice“-Befürworter Specter schon am Tag nach der Wahl ausgesprochen, als er unter anderem sagte: „Der Präsident weiß sehr genau, was mit einer ganzen Reihe seiner Vorschläge passiert ist, die durch Filibuster gestoppt wurden.“
Der so genannte „Filibuster“ ist das wirksame Instrument der Minderheit, eine Personalentscheidung zu stoppen: Solange nicht mindestens 60 der 100 Senatoren ein Ende der Debatte beschließen, werden immer weitere Wortbeiträge angemeldet, so dass die Abstimmung nie zustande kommt. Tatsächlich waren in Bushs erster Amtszeit etliche Nominierungen an der so organisierten Opposition der Demokraten gescheitert.
Schon fordern etliche Konservative den Senat auf, Specter auf keinen Fall den Vorsitz im Justizausschuss zu überlassen. „Sagt euren Senatoren, dass die abtreibungsfreundliche Haltung Senator Specters ihn zu einer schlechten Wahl für die Aufgabe macht“, heißt es etwa auf der Website der einflussreichen christlich-konservativen Organisation „Focus on the Family“. Sogar eine eigene Website haben sie diesem Kampf gewidmet: www.notspecter.org.
Am Wochenende fanden die Aufrufe ihr Echo im Senat: Mehrheitsführer Bill Frist nannte Specters Anmerkungen „entmutigend“. Es sei die Aufgabe des Ausschussvorsitzenden, darum zu kämpfen, die Nominierungen des Präsidenten auch durchzuboxen. Die Konservativen erinnern sich an 1987, als Präsident Ronald Reagan versuchte, den ultrakonservativen Robert Bork in den Obersten Gerichtshof zu berufen. Senator Specter stimmte dagegen – wie 57 andere, zumeist demokratische Senatoren auch. Wenn Specter es jetzt wieder schaffe, schreibt Gary Bauer von „American Values“, „dann müssen wir eine ganze Generation lang warten, um noch einmal so eine Chance zu bekommen.“
BERND PICKERT