: Schavans Predigt verhallt ungehört
Forderung nach Deutschpflicht für Imame stößt auf breite Ablehnung. Innenpolitiker sehen Verstoß gegen das Grundgesetz, katholische Kirche sorgt sich um Gottesdienste auf Kroatisch. Grüne fordern Islamunterricht an Schulen und Hochschulen
VON ASTRID GEISLER
Angst weckt den Wunsch nach Kontrolle. Seit die Folgen eines islamistisch motivierten Mordes Holland erschüttern, werden auch in Deutschland die Rufe nach einem repressiveren Umgang mit islamischen Gemeinden lauter. Schlagzeilen machte vor allem Baden-Württembergs Kultusministerin Annette Schavan (CDU), derzeit bei der Parteibasis auf Werbefeldzug für ihre Kandidatur als Ministerpräsidentin im Ländle. Ihre Forderung: Deutsch müsse Pflichtsprache werden für Predigten in Moscheen zwischen Kiel und Konstanz.
Innenpolitiker der rot-grünen Koalition reagierten entrüstet. SPD-Innenexperte Dieter Wiefelspütz warnte, die Forderung nach einem solchen Gesetz sei ein problematisches Signal. Schließlich unterstelle man damit jedem arabisch oder türkisch predigenden Imam, er sei allein seiner fremden Sprache wegen verdächtig. Aus Sicht von Wiefelspütz gibt es jedoch „nicht den geringsten Anhaltspunkt“, der einen solchen Generalverdacht rechtfertige.
Der FDP-Innenpolitiker Max Stadler hält die Idee schlicht für verfassungswidrig. Es wäre ein „offenkundiger Verstoß gegen das Grundgesetz, wenn der Staat für Predigten den Gebrauch der deutschen Sprache zwangsweise durchsetzen würde“, so der FDP-Politiker Stadler.
Der katholische Islambeauftragte der Diözese Rottenburg-Stuttgart, Wolfgang Rödl, sprach von einer Überreaktion auf die Ausschreitungen in den Niederlanden. Zwar sei es grundsätzlich wünschenswert, dass Imame auf Deutsch predigten. Niemand in der katholischen Kirche würde jedoch auf die Idee kommen, kroatischen Predigern eine Predigt in ihrer Muttersprache zu verbieten. Sein Fazit: Schavans Idee sei „unrealistisch und unglaubwürdig“.
Von einer verpflichtenden Sprachregelung hält auch der Vorsitzende des Bundesausländerbeirats, Memet Kilic, „nicht viel“. Dennoch sollten die Auftritte der Imame seiner Ansicht nach besser beobachtet werden. Denn, so sagt er: „Es gibt viel Unfung in den Moscheen, das wissen wir schon.“
Auch andere Kritiker der Deutschpflicht für Imame halten das Verhältnis zu den islamischen Gemeinschaften in Deutschland durchaus für überdenkenswert. „Wir dürfen nicht hysterisch reagieren, wir sollten die Probleme aber auch nicht bagatellisieren“, mahnt die Grünen-Innenpolitikerin Silke Stokar.
Nach Ansicht Stokars wurde das gesellschaftliche Gefahrenpotenzial fundamentalistischer Islamisten in Deutschland zu lange tabuisiert und unterschätzt. Wenn beispielsweise Kindern in der Moschee eingetrichtert werde, deutsche Frauen seien ungläubig, unrein und unwürdig, dann mache dies ein normales Verhältnis zu den Lehrerinnen in der Schule fast unmöglich. Viele Jugendliche stünden hilflos zerrissen zwischen den Wertesystemen. „Da werden bei immer neuen Generationen die Grundlagen für eine Parallelgesellschaft geschaffen“, fürchtet die Grünen-Politikerin.
Genau wie Grünen-Chefin Claudia Roth fordert sie, die Ausbildung von Islamgelehrten an deutschen Hochschulen voranzutreiben. Nur so könne sich ein „liberaler, europäischer Islam herausbilden“. Zudem müsse der Islam-Unterricht an deutschen Schulen auch in deutscher Sprache stattfinden und „nicht hinter verschlossenen Türen“.
Diese Forderung unterstützt auch SPD-Innenpolitiker Wiefelspütz. Etwas bewegen muss sich seiner Ansicht nach aber nicht nur in den islamischen Gemeinschaften, sondern auch in der deutschen Bevölkerung. Eine bessere Integration könne nur gelingen, wenn Moscheen nicht mehr „an den Rand der Gesellschaft in die Gewerbegebiete gedrängt werden“.