Litauens Präsident droht die Amtsenthebung

Rolandas Paksas soll dubiose Wahlkampffinanciers gehabt und diesen auch noch Gegenleistungen zugesichert haben

STOCKHOLM taz ■ Das Netz um Litauens Präsident Rolandas Paksas scheint sich immer enger zusammenzuziehen. Er soll sich seinen Präsidentschaftswahlkampf nicht nur von Geschäftsleuten finanziert haben lassen, die sich selbst im Grauschleier zwischen Geschäften und organisiertem Verbrechen bewegen oder denen zumindest enge Verbindungen dazu nachgesagt werden. Er soll die von ihm zu erbringenden Gegenleistungen auch noch schriftlich fixiert haben.

Am Mittwoch veröffentlichte die Zeitung Verslo Zinios einen Vertrag, laut dem Paksas sich verplichtet hat, Juri Borisow, einen Hauptfinanzier seiner Kampagne, nach gewonnener Wahl zu seinem Ratgeber zu ernennen. Außerdem werde er sich um eine Änderung der Handelsgesetze bemühen, die Borisows Geschäften von Vorteil sei.

Damit gibt es ein weiteres Teil zu dem Puzzle an Vorwürfen, die Paksas seit Wochen als „frei erfunden“ und „politische Intrige“ zurückweist – mit jedoch deutlich sinkender Glaubwürdigkeit. Begonnen hatte „Litauens Watergate“, wie der Chef der konservativen Vaterländischen Union, Andrius Kubilius die Vorwürfe nennt, mit dem Hinauswurf des Chefs des Verfassungsschutzes, Mecys Laurinkus, durch Paksas Ende Oktober. Die Ankündigung, ihn durch einen Mann „seines Vertrauens“ ersetzen zu wollen, veranlasste Laurinkus in einer Bilanz seiner Amtsperiode vor dem Parlament, eine Bombe platzen zu lassen. „Gefährliche Gruppen des internationalen organisierten Verbrechertums“ seien dabei Litauen zu ihrer Basis zu machen, zu „ihrem Sprungbrett gen Westen, wenn sich Litauen in die europäische und transatlantische Zusammenarbeit integriert“.

Namentlich nannte Laurinkus die russische „XXI. Wek“ (21. Jahrhundert), dessen Boss Ansor Aksentejew Kikalischwili ist. Diesem werden beste Kontakte zum Paksas-Sponsor Juri Borisow nachgesagt. Laut Informationen der Tageszeitung Lietuvos rytas, die Einblick in einen vertraulichen Bericht des litauischen Verfassungsschutzes haben will, soll es heimliche Tonbandaufnahmen geben. Darin beschweren sich Borisow und Kikalischwili bei dem sicherheitspolitischen Ratgeber von Präsident Paksas, Remigijus Acas darüber, dass die mit der Wahlkampffinanzierung versprochenen „Gegenleistungen“ noch nicht erbracht worden seien. Außerdem soll auf den Bändern von Morddrohungen gegen den „unbequemen“ Geheimdienstchef Laurinkus die Rede sein.

Rolandas Paksas, der in der ersten Runde der Präsidentschaftswahlen weniger als 20 Prozent der Stimmen errungen hatte, war es im Januar in der zweiten Runde überraschend gelungen, Amtsinhaber Valdas Adamkus zu schlagen. Der Sieg gelang unter anderem mit einer Materialschlacht, deren Kosten auf die für litauische Verhältnisse horrende Summe von rund 2 Millionen Euro geschätzt wurden – ein Vielfaches dessen, was Paksas offiziell auswies.

Es war nie ein Geheimnis, dass Paksas in dem Geschäftsmann Borisow einen großen Gönner hatte. Dieser erhielt kurz nach Paksas Sieg zu seiner russischen auch die litauische Staatsangehörigkeit. Dieses ist eine bislang nur in Einzelfällen übliche Ehrung, die Borisow mit dem EU-Beitritt Litauens zu einem EU-Staatsbürger macht und seinen Geschäften hilfreich sein dürfte.

Erhärten sich aber die Vorwürfe vertraglich fixierter Gegenleistungen und klarer Verbindungen zu „XXI. Wek“ kann Paksas dem von einigen Parlamentsfraktionen angekündigtem Impeachmentverfahren nur durch einen freiwilligen Rücktritt zuvorkommen. Laut Verfassung könnte eine Parlamentsmehrheit den Präsidenten absetzen. Mit jeder Enthüllung scheint das wahrscheinlicher zu werden.

REINHARD WOLFF