: Jungfunk sucht Wellenlänge
Das Verlegerradio ‚Radio NRW‘ hat eine große Vision: ein landesweiter Jugendsender. Wenn es Politik und Ultrakurzwelle erlauben, soll dem WDR-Programm ‚1Live‘ Konkurrenz gemacht werden
VON HARALD SCHÖNFELDER
Geht es nach dem Willen der Privatradios soll sich die Rundfunklandschaft in NRW deutlich wandeln: Die bislang konkurrenzlose WDR-Popfrequenz „1Live“ soll von einer privaten Jugendwelle attackiert werden. Dem Verband der Zeitungsverleger in Nordrhein-Westfalen (ZVNRW) ist es ernst mit diesem Gedankenspiel.
Intensiv drängen die Medienunternehmer auf eine zweite private Hörfunkkette. Im Blick haben sie die Altersgruppe der 14- bis 29-Jährigen. Denn ihr privates Funknetzwerk „Radio NRW“ mit seinen 46 Lokalstationen hat bei allem Quotenerfolg ein Problem: Die Zielgruppe verändert sich. 1990 gegründet mit dem Anspruch, alle Hörer bis zum Alter von 49 mit lokalen Informationen zu versorgen, ist das Publikum mit den Sendern gealtert. Der Spagat zwischen Schülern und Rentnern wird allmählich zum Problem. Also machen sich eigene Sendungen für Jugendliche im Sendeschema rar und stehen im Kontrast zu den eher betulichen Sendungen des übrigen Programms. In Einzelfällen wird auch allzu Frisches von den lokalen Veranstaltergemeinschaften, die den Radiomachern die Programmleitlinien vorgeben dürfen, schon mal ausgebremst.
Bei der Einführung eines privaten Jungfunks setzen die Verleger nun auf politische Unterstützung: „Ministerpräsident Peer Steinbrück und Oppositionsführer Jürgen Rüttgers können sich mit diesem Gedanken anfreunden“, sagt Martin Schürmann, der Vorsitzende des ZVNRW. Noch befände sich das Projekt aber in „der politischen Vorbereitung“, setzt er vorsichtig hinzu. Bis sie gegen 1Live andudeln können, müsste im Äther kräftig aufgeräumt werden – die Sendefrequenzen sind knapp geworden.
Ähnlich sieht man das auch bei der Landesregierung: „Der Ministerpräsident hat gegenüber den Verlegern sein positives Verständnis zum Ausdruck gebracht“, heißt es im Landespresseamt. Nur mangele es eben an freien Frequenzen. Zudem steht das Deutschlandradio bereits in der Warteschlange: Weil das im Bundesland nicht flächendeckend zu empfangen ist, erhält es die nächste frei werdende Frequenz. Weiterhin hat der öffentlich-rechtliche Hörfunk das erste Zugriffsrecht auf die Ultrakurzwelle.
Neben dem Deutschlandradio haben die Privatsender noch einen anderen Schuldigen ausgemacht: Der Westdeutsche Rundfunk blockiere Frequenzen, die er nicht brauche. Schützenhilfe bekommen die Unternehmer von staatlicher Seite: Auch Peter Widlok von der Landesanstalt für Medien (LfM) kritisiert die Bevorzugung des Öffentlich-Rechtlichen: „Es kann nicht sein, dass der WDR mit Frequenzen überversorgt ist.“ Trotz Frequenzengpässen gebe es WDR-Programme, die an einem Standort gleich auf verschiedenen Frequenzen zu empfangen seien. Auch aus akustischen Gründen spricht sich die LfM für eine zweite private Senderkette aus: „Die Verbreitung nur einer Musikfarbe hat ein Vakuum entstehen lassen“.
Eine andere mögliche Lösung wird zur Zeit auf Landesebene hinter vorgehaltener Hand diskutiert. Der britische Militärsender „BFBS Forces Radio“ könne vielleicht seinen analogen Sendebetrieb einstellen und die dann frei werdenden Frequenzen könnten gut von anderen Sendern genutzt werden.
So oder so wird die Einführung einer NRW-Jugendwelle zum finanziellen Problem. Viele der beteiligten Medienverlage stecken in einer wirtschaftlichen Krise. Ein Konzept ähnlich dem der jetzigen Lokalstationen scheidet da schon mal aus. „46 neue Stationen – kann es nicht sein“, meint auch der Verlegervorsitzende Schürmann. Gedacht werde deshalb eher an eine landesweite Welle mit regionalen Sendefenstern – wie es der WDR praktiziert.
Bis eine private 1Live-Konkurrenz im Land auf Sendung geht, wird es noch einige Jahre dauern. Durch die Digitalisierung des Rundfunks könnten zwar leicht neue Sendeplätze entstehen. Doch obschon das Digitalradio längst gestartet wurde, konnte es sich am Markt nicht durchsetzen. Auch in den nächsten Jahren wird ein landesweiter junger Privatsender allein im Land des Konjunktivs zu hören sein.