CDU-INNENMINISTER SCHÖNBOHM WILL HASSPREDIGER AUSBÜRGERN: Konjunkturritter gegen die Verfassung
In Zeiten der Verunsicherung wächst in der Bevölkerung der Wunsch nach der schützenden Hand. Die gegenwärtige Angstkonjunktur vor islamistischen Gewalttätern nutzend, wagen sich Vertreter des autoritären Staates mit Vorschlägen zur Flurbereinigung der Grundrechte hervor, die sie in ruhigeren Zeiten niemals lanciert hätten. Auch der brandenburgische Politiker und Exgeneral Jörg Schönbohm gehört zu diesen Konjunkturrittern. In einem Interview äußerte er, es sei wünschenswert, islamischen Hasspredigern die Staatsbürgerschaft abzuerkennen. „Wenn es rechtlich machbar ist, sollten wir das versuchen.“
Ist hier „Machbarkeit“ gefragt, eine geschickte Dehnung elastischer Normen? Auch Schönbohm weiß, dass das Grundgesetz den Entzug der Staatsbürgerschaft ohne Wenn und Aber untersagt. Die Verfassung ist in dieser Hinsicht eindeutig, vor allem deshalb, weil den Verfassungsgründern die Ausbürgerungspraxis der Nazis vor Augen stand.
Der Vorschlag des Innenministers sollte dennoch nicht mit Achselzucken abgetan werden, mit dem Hinweis, er sei sowieso nicht ernst gemeint, weil angesichts der erforderlichen Zweidrittelmehrheit zur Abänderung des Grundgesetzes nicht durchsetzbar. Es geht um propagandistische Durchlöcherungsarbeit mit Rückwirkungen auf das allgemeine Verständnis von Demokratie. Denn Staatsbürger zu sein bezeichnet einen Rechtsstatus. Er kennzeichnet den Träger dieses Rechtes als Mitglied des Staatsvolks, von dem bekanntlich alle Staatsgewalt ausgeht. Das Staatsbürgerrecht beinhaltet deshalb eine absolut geschützte Rechtsposition. Selbst eine fehlerhafte Einbürgerung kann nicht zum Verlust dieser Position führen.
Kann nicht doch etwas an dieser Rechtslage gedreht werden, ohne das Grundgesetz zu ändern? Mag Schönbohm seine Juristen noch so heftig prüfen lassen, er wird nur Folgendes in Erfahrung bringen: Alles ist umstritten, samt der genauen Abgrenzung von Entzug und von Verlust der Staatsbürgerschaft, mit einer großen Ausnahme – der ehernen verfassungsmäßigen Garantie der Staatsbürgerschaft. CHRISTIAN SEMLER
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