: Streit um Reformen vergrault Premier
Mazedoniens Regierungschef Hari Kostov reicht nach fünfmonatiger Amtszeit überraschend seinen Rücktritt ein. Grund sind unüberbrückbare Differenzen mit dem albanischen Koalitionspartner. Sozialdemokrat für Kostovs Nachfolge im Gespräch
VON ERICH RATHFELDER
Wenn der mazedonische Ministerpräsident Hari Kostov mit seinem Rücktritt in seinem Land einen Schock auslösen wollte, so ist ihm das sicher gelungen. Obwohl erst seit Juni dieses Jahres im Amt, hat der 45-jährige unabhängige Wirtschaftsfachmann und Banker in so kurzer Zeit durchaus an Autorität und Popularität gewonnen. Auch bei seinen letzten Auslandsbesuchen machte er eine gute Figur. Weil er das Land so schnell wie möglich für einen EU-Beitritt fit machen wollte, bedauern die Vertreter der internationalen Gemeinschaft im Lande seinen Schritt.
Dass er am Montag das Handtuch geworfen hat, soll diplomatischen Quellen zufolge mit den ständigen ethnischen Querelen innerhalb der Regierungskoalition zu tun haben. Er habe sich mit seinem albanischen Koalitionspartner nicht über die politische Generallinie einigen können, begründete Kostov den Rücktritt nach einer Krisensitzung seines Kabinetts in Skopje.
„Einer der Koalitionspartner nutzt das Kabinett einzig für die Verbreitung seiner nationalen und parteilichen Interessen“, erläuterte er seine Entscheidung und meinte damit die „Demokratische Union für Integration“ (DUI), die zusammen mit dem Sozialdemokratischen Bund (SDSM) die Regierung bildet. Wegen der anhaltenden Streitigkeiten stagniere vor allem die geplante Harmonisierung von Gesetzen mit europäischem Recht. Auch die Wirtschaftspolitik habe doch nichts mit ethnischen Interessen zu tun. „Alle müssten ein Interesse an der Wirtschaftsreform haben“, erklärte er.
Der Rücktritt kam umso überraschender, weil die Regierung erst vor zehn Tagen die größte innenpolitische Herausforderung seit ihrer Bildung 2002 erfolgreich überwunden hatte. Der von den oppositionellen Rechtsparteien und von Exilorganisationen angestrebte Volksentscheid gegen die geplante Gemeindereform scheiterte an der Wahlbeteiligung. Nur knapp ein Viertel der Wahlberechtigten wollte das Regierungsprojekt und damit die Umsetzung des Vertrages von Ohrid zu Fall bringen. Der Vertrag war 2001 nach militärischen Kämpfen zwischen der slawischen Mehrheitsbevölkerung und der albanischen Minderheit geschlossen worden und soll den Albanern, die rund 25 Prozent der Bevölkerung stellen, mehr Rechte im Staate sichern.
Auch dass die USA den Namen der Republik Mazedonien kurz vor dem Volksentscheid gegen den Widerstand des Nato-Landes Griechenland anerkannten, ist ein Pluspunkt für die Regierung. Schließlich zog sich der Namensstreit seit der Unabhängigkeit von Jugoslawien 1991 hin. Bisher lautete der offizielle Name des Landes „Ehemalige jugoslawische Republik Mazedonien“ (Fyrom), weil Griechenland den Namen Mazedonien für seine gleichlautende nördliche Provinz beansprucht und fürchtet, die Republik Mazedonien könnte territoriale Forderungen an Griechenland stellen.
Zwar hat die EU aus Rücksicht auf Griechenland noch nicht nachgezogen, doch dürfte dies nur eine Frage der Zeit sein. So hätte Hari Kostov eigentlich mit dem Verlauf der letzten Wochen zufrieden sein können. Indem er aber jetzt den Nepotismus und die Korruption des albanischen Koalitionspartners kritisiert, wollte er offenbar einen „heilsamen Schock“ auslösen, ohne selbst in den Geruch des Nationalismus zu kommen. Denn allein der Vorstoß eines albanischen Ministers, über Einstellungen in seinem Ministerium selbst zu bestimmen – bisher sollte aus gutem Grund allein das Finanzministerium dafür verantwortlich sein – zeigt, auf welche Weise versucht wird, die eigene Klientel zu befriedigen.
Am Donnerstag berät das Parlament über den Rücktritt Kostovs. Sollte es ihn annehmen, dürfte Staatspräsident Branko Crvenkovski einen neuen Regierungschef aus seiner eigenen Partei, dem Sozialdemokratischen Bund, bestimmen. Der Parteitag der Sozialdemokraten wurde schon einmal auf Donnerstag kommender Woche vorverlegt.
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