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Archiv-Artikel

SPD und Grüne einigen sich auf neues Entsendegesetz

Der Bundestag muss dem Einsatz der Bundeswehr im Ausland weiterhin zustimmen. Nachträgliche Zustimmung genügt nur bei „Gefahr im Verzug“

BERLIN taz ■ SPD und Grüne haben sich auf einen Gesetzentwurf geeinigt, in dem festgeschrieben werden soll, wie demnächst die parlamentarische Kontrolle von Auslandseinsätzen der Bundeswehr zu regeln ist. Darin heißt es, dass der Bundestag auch künftig Auslandseinsätzen zustimmen soll. Ein vereinfachtes Verfahren wird es bei kleineren Einsätzen und bei der Verlängerung von Auslandsoperationen geben.

1994 hat das Bundesverfassungsgericht in seinem Grundsatzurteil zum Thema eine präzise gesetzliche Regelung angemahnt. Bislang schienen alle Varianten, die im Zusammenhang mit einem so genannten „Entsendegesetz“ diskutiert wurden, auf eine Schwächung des Bundestages hinauszulaufen. In dieser Hinsicht ist der rot-grüne Entwurf eine Überraschung: Die bisherige Praxis wird weitgehend beibehalten.

Höhere Effizienz und kürzere Entscheidungswege waren die Ziele, die bisher stets – parteiübergreifend – als Begründung für die Notwendigkeit eines neuen Gesetzes genannt wurden. Es sei unerträglich, so die Äußerungen hochrangiger Bundeswehroffiziere, dass mit der Planung notwendiger Einsätze gewartet werden müsse, bis das Parlament zusammengetreten sei. Offenbar muss das Unerträgliche auch künftig ertragen werden. Der neue Gesetzentwurf ist nämlich weit von allen Vorschlägen entfernt, eine Entscheidung über Zustimmung oder Ablehnung eines Einsatzes demnächst lediglich einem Ausschuss übertragen zu wollen. Auch künftig soll die „nachträgliche Zustimmung“ des Parlaments nur Fällen vorbehalten bleiben, in denen „Gefahr im Verzug“ ist. Das ist bereits jetzt geltende, weitgehend unumstrittene Praxis, wie sich Ende 1997 bei der militärisch gestützten Evakuierung von Zivilisten aus dem albanischen Tirana gezeigt hat.

Neu ist in dem Entwurf lediglich das „vereinfachte Zustimmungsverfahren“ bei „Einsätzen von geringer Bedeutung“: Da soll es künftig reichen, wenn Fraktions- und Ausschussvorsitzende sowie Obleute darüber informiert werden und nicht eine Mindestzahl von Abgeordneten binnen sieben Tagen dem Einsatz widerspricht. Natürlich lässt sich trefflich darüber streiten, was eigentlich – unter militärischen wie politischen – Gesichtspunkten als Einsatz von geringer Bedeutung zu verstehen ist: Wie wäre etwa die Entsendung eines einzelnen Offiziers auf einem US-Kriegsschiff zu werten, das Nachschub in die Golfregion befördert? Dem müsste der Bundestag künftig nicht mehr in seiner Gesamtheit zustimmen. Das Parlament hätte allerdings immerhin nach wie vor ein Rückholrecht. BETTINA GAUS