: Schöner Wohnen bald auch für Hühner
Das Ende der Legebatterien rückt näher: Zwar hat der Bundesrat für eine Verschiebung des Käfig-Verbots gestimmt. Agrarministerin Künast muss und wird sich daran aber nicht halten. Dafür leiden die Schweine erst einmal weiter
aus Berlin HANNA GERSMANN
Ab 2007 soll es kein deutsches Käfig-Ei mehr geben. Agrarministerin Renate Künast (Grüne) will die deutschen Hennen aus den Legebatterien befreien: „Die vom Bundesrat vorgeschlagene Verordnung werde ich nicht unterschreiben“, sagte sie zumindest gestern. Der hatte kurz zuvor dafür gestimmt, zunächst alternative Haltungsformen zu prüfen – und dann erst die fabrikmäßige Eierproduktion zu verbieten.
Das käme einer „Verschiebung auf den Sankt-Nimmerleins-Tag“ gleich, schimpfte Künast. Im Klartext heißt das: Die seit einem Jahr bereits gültige Legehennenverordnung bleibt in Kraft. Ab 2007 ist darum nur noch die Freiland-, Boden- und Volierenhaltung von Hühnern erlaubt. Das Käfigverbot hatten die Bundesländer vor zwei Jahren schon selbst einmal einhellig beschlossen, wollten es nun aber wieder kippen.
Allen voran hatten die Eier-Giganten-Länder Mecklenburg-Vorpommern und Niedersachsen gefordert, Legebatterien statt ab 2007 erst 2010 zu verbieten. Allein aus dem Land des CDU-Ministerpräsidenten Christian Wulff kommen rund 40 Prozent aller in Deutschland gelegten Eier. Mecklenburg-Vorpommerns Agrarminister Till Backhaus (SPD) sagte gestern aber fast einsichtig: „Am Ende der Käfighaltung geht kein Weg vorbei.“
Der Antrag, dem die Freunde der Hühnerbarone gestern zustimmten, lässt ganz anderes vermuten: Danach soll Künst einen TÜV für Tierhaltung einrichten. Der soll dann über mehrere Jahre prüfen, welche Möglichkeiten es gibt, Schweine, Pelztiere oder Hennen artgerecht zu halten. Erst dann sollten die Käfige verboten werden. Aber nicht die so genannten Kleingruppen oder ausgestalteten Käfige. Von den großen Betrieben werden sie als artgerechte Alternative angepriesen. Tatsächlich haben sie eine Stange und eine Ecke zum Staubbaden. Tierschützer kritisieren sie dennoch stark. In solchen Käfigen legen bis zu 40 Hennen, für sie ist es dann fast genauso eng wie in der Batterie.
Die Bundesländer hatten Renate Künast schon im Vorfeld der Abstimmung gedroht: Wenn sie der Fristverlängerung nicht zustimme, dann blockierten sie die von der EU geforderte Verordnung zur artgerechten Schweinehaltung. Die jetzige Bundesrats-Empfehlung „sei schlimmer als das, was bisher vorgeschlagen wurde“, meinte aber die Landwirtschaftsministerin.
Die Folge: Nun ist erst einmal auch die von der EU geforderte Vorschrift für mehr Tierschutz in der Schweinemast vom Tisch. Auch die Borstentiere sollten bequemere Ställe und mehr Platz bekommen. Gestern war im Agrarministerium noch unklar, wann Künast einen neuen Vorstoß wagen wird. Mittelfristig droht deshalb ein Bußgeld von der EU.
Renate Künast beruft sich übrigens auf das Bundesverfassungsgericht. Die Karlsruher Richter hatten schon vor vier Jahren geurteilt: Die elementarsten Grundbedürfnisse der Gattung Huhn seien mit modernen Legebatterien unvereinbar. Die Tiere müssten „auf- oder übereinander schalfen“. Sie könnten auch nicht gleichzeitig fressen oder trinken, weil ein Huhn 14,5 cm breit sei, die Futtertrog-Länge aber nur 10 cm Platz pro Henne lasse.
Ein Urteil, von dem jeder weiß, das aber nur wenige hören wollen. Die Henne, das Ei und der Verbraucher – das ist ein Liebesverhältnis mit klaren Widersprüchen. 80 Prozent der Deutschen verabscheuen die fabrikmäßige Käfighaltung, 90 Prozent greifen im Supermarkt aber dennoch zu den Billigeiern.
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