: Laues Klima an Gymnasien
Bildungsbehörde veröffentlicht LAU-Studie, an der rund 6.000 Elftklässler teilnahmen. Gymnasiasten schneiden besser als alle anderen ab, haben aber am wenigsten dazugelernt. Bildungssenatorin will Zugang zu Aufbaugymnasien erschweren
von Kaija Kutter
Gymnasien haben in Klasse elf immer noch die schlausten Schüler, aber die haben auch am wenigsten dafür getan. Das ist das Fazit der Lernausgangsuntersuchung (LAU) für diesen Jahrgang, die der Schulforscher Rainer Lehmann im Herbst 2002 unter 6.411 Jugendlichen an Hamburger Gymnasien, Gesamtschulen sowie Fach- und Aufbaugymnasien durchführte.
Doch für Lehmann zeigt sich die „entscheidende Effizienz einer Schule“ darin, welche Lernfortschritte Schüler machen. Hier wiederum schneiden Gesamtschulen und integrierte Haupt- und Realschulen besser ab. Der Professor der Berliner Humboldt-Universität hatte bereits 1996 den Lernstand der 5. Klassen, 1998 den der 7. und 2000 den der 9. Klassen ein und desselben Schülerjahrgangs untersucht. Dabei wurden Tests in Englisch, deutschem Leseverständnis, Rechtschreibung und Mathematik durchgeführt und am Ende für alle Fächer eine Gesamtbewertung errechnet. Ein Nebenergebnis: Mädchen sind in Mathe an Gesamtschulen besser, denn die Schule ist „mädchenfreundlicher“, so Lehmann.
Geht man nach dem absoluten Leistungsstand, so scheint erschreckend, dass die Gesamtschüler gegenüber Gymnasiasten einen Lernrückstand von zwei Jahren haben und in Mathe beispielsweise auf dem Stand der 9. Klasse sind. Allerdings hatten die Gesamtschulen in Klasse fünf nur drei Prozent der Schüler mit Gymnasialempfehlung bekommen und stellen in Klasse elf 14 Prozent dieser Schüler. Lehmann: „Die Gesamtschulen sind gemessen an ihrer Ausgangsbasis relativ erfolgreich.“ Gymnasien hingegen böten zwar den besseren Schülern nach wie vor die besten Chancen, würden diese aber zu wenig fördern.
In der Studie heißt es sogar, dass an Gymnasien die Zahl der Schüler, die unter dem mittleren Niveau liegen, von der 9. bis zur 11. Klasse von 35,5 auf 40,5 Prozent stieg. Demgegenüber erhöhte sich umgekehrt an den Gesamtschulen die Zahl der Schüler mit diesem Niveau von 22,3 auf 28,9 Prozent. An Integrierten Haupt- und Realschulen, von denen nun sechs schließen sollen, stieg die Zahl von zwei auf knapp zehn Prozent.
Lehmann appellierte an Bildungssenatorin Alexandra Dinges-Dierig (parteilos), die Studie in die Standortdebatte einzubeziehen, „um zu vermeiden, dass nachweislich gute Schulen geschlossen werden“. Entsprechende Einzeldaten liegen vor.
Doch Dinges-Dierig hält dies für nicht machbar. Sie legt in ihrer Bewertung das Augenmerk auf das auseinander klaffende Niveau der Elftklässler, das an den von rund 1.000 ehemaligen Realschülern besuchten Aufbaugymnasien noch weiter zurückliegt. „Gleichwertigkeit darf keine leere Hülle sein“, sagte sie. „Wir müssen Ergebnisse festlegen und darüber zu veränderten Ergebnissen kommen.“
Akut von der Abschaffung bedroht ist offenbar die „Eingangsstufe“ der Aufbaugymnasien, die vor 20 Jahren eingeführt wurde, um Realschülern das Abitur zu ermöglichen, und deren Schüler laut LAU um bis zu drei Jahre hinter den Gymnasiasten zurückliegen. „Ich hoffe, dass ich nicht den Zorn der Senatorin auf mich ziehe, wenn ich sage, dass sich dieses Jahr sehr wohl auszahlt“, sagte Lehmann.
In den Klassen lernten überwiegend Kinder mit Migrationshintergrund in hoch motivierten Gruppen. „Ich sehe dieses Schuljahr sehr kritisch“, hielt Dinges-Dierig dagegen. „Die holen diese drei Jahre nicht auf, so motiviert sie auch sind.“ Dass das Einführungsjahr abgeschafft werde sei aber „nichts Neues“.