: Armee schützt Kriegsverbrecher
Der Außenminister Serbiens und Montenegros bekämpft Milošević’ Erbe. Die Auslieferung der Gesuchten ist eine grundlegende Bedingung für die EU-Integration
BELGRAD taz ■ „Die Armee beschützt und verbirgt vermeintliche Kriegsverbrecher in geheimen Unterschlupfen und Bunkern in Serbien.“ Vuk Drasković, Außenminister der Staatengemeinschaft Serbien und Montenegro, beschuldigte zudem den national-konservativen serbischen Premier Vojislav Koštunica, „Milošević’ treueste, steckbrieflich gesuchte Generäle“ nicht an das UNO-Tribunal für Kriegsverbrechen in Den Haag ausliefern zu wollen, die Forderungen der EU und USA hartnäckig zu missachten und somit Serbien in internationale Isolation zu treiben.
Es sei tragisch, dass das „verbrecherische Regime von Slobodan Milošević in Serbien wiederhergestellt“ werde. Milošević’ Schergen und Henker hätten nach wie vor führende Posten im in der Armee, den Geheimdiensten und der Polizei, meinte Drasković weiter. Er forderte den Rücktritt des Generalstabschefs und des Verteidigungsministers sowie vorgezogene Parlamentswahlen, die Serbien „wieder auf den europäischen Kurs bringen sollen“. Drasković’ „Serbische Erneuerungsbewegung“ (SPO), die Koalitionspartner in der serbischen Minderheitsregierung ist, rief Rekruten auf, den „Wehrdienst zu verweigern“, solange einige mysteriöse Todesfälle in der Armee nicht geklärt werden.
Die sich abzeichnende Regierungskrise wurde vom Tod zweier Soldaten vor dem Eingang eines unterirdischen Bunkers in einer Kaserne in Belgrad ausgelöst. Während die Armee beteuerte, dass sich die Soldaten gegenseitig erschossen hätten, behaupteten einige Medien, Oppositionspolitiker und der Außenminister, dass sie von „einer dritten Person“ erschossen worden seien – Gerüchten zufolge von Leibwächtern eines der wegen Kriegsverbrechen gesuchten serbischen Exgenerals.
Der Bericht einer unabhängigen Untersuchungskommission wird seit Tagen zurückgehalten. Von den zahlreichen Überwachungskameras soll ausgerechnet diejenige kaputt gewesen sein, die auf den Eingang des Bunkers gerichtet war. Sichtlich „eingeschüchtert“ soll ein Mitglied der Untersuchungskommission bestätigt haben, dass die beiden Soldaten erschossen worden seien, erklärte der ehemalige serbische Justizminister, Vladan Batić.
Der außen- und innenpolitische Druck auf Premier Koštunica wird immer größer. Einerseits hängt die Parlamentsmehrheit der Minderheitsregierung von den Abgeordneten der Milošević-Sozialisten ab, die entschieden gegen die Auslieferung serbischer Staatsbürger an das UNO-Tribunal sind. Koštunica beharrte bisher darauf, dass die mutmaßlichen Kriegsverbrecher sich freiwillig stellen sollen.
Andererseits fordern die SPO und Serbiens Präsident, Boris Tadić, die sofortige Verhaftung und Auslieferung der insgesamt sechzehn mutmaßlichen Kriegsverbrecher, die unbehelligt in Serbien leben. Dies sei nämlich die „grundlegende Bedingung“ für den weiteren europäische Integrationsprozess Serbiens und die zukünftige finanzielle und politische Unterstützung der EU und USA.
ANDREJ IVANJI