: Gestörte NPD-Demo
In Lüneburg schützten 2.000 Polizisten einen NPD-Aufmarsch. Ruhe hatten gut 150 Neonazis trotzdem nicht
Lüneburg taz ■ Stolz hält der Vater das Kleinkind im Arm. Auf seiner Jacke prangt „Walhall“. Selbstbewusst schiebt die Mutter einen Kinderwagen mit Reichskriegsflagge durch die Straße. Auch ein junges Pärchen mit „Old-School-Racist“-Shirt schlendert mit beim Aufmarsch.
Den polizeilichen Begleitschutz längst gewohnt, traten die Neonazis am Sonnabend in Lüneburg selbstsicher auf. Mehr als 150 Kameraden waren dem Aufruf „Heimreise statt Einreise“ der Nationaldemokratischen Partei Deutschlands (NPD) gefolgt. Doch in der alten Salzstadt setzten sich die Bewohner gegen diese rechte Alltäglichkeit ein – wie bereits bei dem NPD-Aufmarsch unlängst in Braunschweig. Keine Straße auf der genehmigten Neonazi-Route, in der nicht ein Transparent „Wir scheißen auf Nazis“ hängt oder ein Plakat „Nazis nach Hause schicken“. An die 1.500 Menschen kamen zu den Gegenaktionen des „Netzwerks gegen Rechts“, die von fast 80 Organisationen, von Antifa-Gruppen über Gewerkschaften bis zu Bauernvereinigungen unterstützt wurden. Mit Blick auf die tendenziöse Lokalpresse betonte eine Schülerin der Hauptschule Kaltenmoor auf der Antifa-Demo: „Artikel über den angeblichen Missbrauch von Lebensmittelgutscheinen durch Flüchtlinge schüren den Rassismus.“ Und DGB-Vertreter Charly Braun unterstrich: „Auch den alltäglichen Rassismen muss widersprochen werden.“
Kaum hatte das Netzwerk die Kundgebung beendet, versuchten die Teilnehmer, die Neonaziroute nahe der Innenstadt zu blockieren. Obst und Eier, vereinzelt auch Flaschen und Steine flogen, als die Rechten Am Berge vorbeikamen, unverzüglich setzte die Polizei Schlagstöcke und Pfefferspray ein. Die verletzten Demonstranten erhielten von Anwohnern Verbandszeug für die Platzwunden, bei Geschäftsleuten konnten sich viele das Spray aus den Augen waschen. „Drei Beamte wurden verletzt“, erklärt nachher ein Polizeisprecher. An die 80 Personen kommen in Gewahrsam.
Trotz des Polizeieinsatzes mit rund 2.000 Beamten wurden auch die NPD-Abschlussreden gestört. „Ihr könnt nach Hause gehen“, schallte es am Bahnhof, als der Führer der Freien Nationalisten Thomas Wulff eine „geschlossene Volksgemeinschaft“ forderte. NPD-Ortschef Manfred Börm spielte das „Deutschland-Lied“ an, und die Rechten stimmten ein in die verbotene dritte Strophe. Die Polizei wusste am Ende nur noch das Band sicherzustellen. Andreas Speit