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Archiv-Artikel

„Ihr Überpolizisten“

Ist die Presse zu frech? Nach der taz-Aktion gegen Eingriffe bei Interviews rät Peter Gauweiler seinen Politikerkollegen: Lasst euch nicht alles gefallen

INTERVIEW PATRIK SCHWARZ

Sonntagvormittag, ein Anruf aus Oberbayern. Peter Gauweiler meldet sich auf unsere Interview-Anfrage: Warum stehen Politiker nicht zum gesprochenen Wort? Aus gegebenem Anlass ein Gespräch ohne versteckte Retuschen – von beiden Seiten. Klammern markieren Ergänzungen der Redaktion, (…) sind Auslassungen. Die Tonbandaufnahme beginnt abrupt.

taz: Wir haben ja gerade …

Peter Gauweiler: Ja, wir haben jetzt unser Telefongespräch. Wenn das von einem Gerichtsstenografen mit stenografiert würde, würde es möglicherweise blöde klingen. Man liest anders, als man spricht.

Aber unumstritten ist ja, dass Politiker stilistische Korrekturen vornehmen dürfen. Wovon wir hier reden: Warum verdrehen Politiker den Sinn, warum stehen sie nicht zu ihrem Wort?

Ach so. Ich hab gedacht, das darf man gar nicht.

(taz lacht)

(Wenn mich einer fragt:) Sind Sie für Herrn Hohmann? Da kann ich doch nur sagen, ja, nein oder: war nicht so schlimm. Ich kann doch schlecht (zuerst) sagen, das war nicht so schlimm, und dann schreibe ich’s um und sage, das (Alte) muss sofort rausgeschmissen werden. Ich denke schon, dass es vor allem um stilistische Sachen geht.

Ist es Ihnen recht, dass wir loslegen, oder soll ich in zehn Minuten noch mal anrufen?

Nein, nein, besser jetzt. Ich muss grad Kolumne schreiben, deswegen bin ich (zeitlich) ein bissl eingeschränkt.

Wir sind schon beim Thema.

Grundsätzlich soll es so sein: Die Presseleute bestimmen die Frage und der Politiker die Antwort. Und wem die Antwort nicht passt, der ist nicht gezwungen, sie abzudrucken.

Aber was ist, wenn dem Politiker seine Antwort selber nicht mehr passt, sobald er sie schriftlich vorliegen hat?

Dann kann er, glaub ich, sagen, ich zieh meinen Mist zurück.

Haben Sie das selber schon gemacht, Sie waren ja Minister in Bayern?

Bei mir war das anders. Sie kennen ja den berühmten Spruch: (…) Das habe ich gesagt, sagt mein Gedächtnis. Das kann ich nicht gesagt haben, sagt mein Stolz. Irgendwann gibt mein Gedächtnis nach. Ist nicht von mir, ist von Nietzsche.

Würden Sie sagen, Politiker sind zu ängstlich in Deutschland, zu ängstlich, zu ihrem Wort zu stehen?

Sie fühlen sich vielleicht von der Presse überkontrolliert. Und ihr seid ja auch so Art Überpolizisten. Da ist man naturgemäß vorsichtig.

Überpolizisten heißt was?

Medienpolizei.

Aber wir haben doch gar keinen Knüppel?

Ihr habt etwas, was eigentlich im frühen 19. Jahrhundert abgeschafft wurde, nämlich die Möglichkeit, andere am Pranger stehen zu lassen.

Also würden Sie sagen, der Politiker darf ein bissl schwindeln beim Autorisieren – als Maßnahme des Selbstschutzes?

Was heißt schwindeln? Auch bei der Polizei gilt ja ein Protokoll nur, wenn ich’s unterschrieben hab. Aber Sie wollen’s gleich intensiver haben. Sie wollen’s wie die Polizisten im amerikanischen Krimi haben, die da immer das Kärtchen hinlegen und sagen: Alles, was Sie sagen, kann gegen Sie verwendet werden!

Aber sollte das nicht die Bedingung sein für ein Interview? Wir sagen: Passen Sie auf, das Mikro ist an, alles, was Sie sagen, kann gegen Sie verwendet werden – und jetzt legen Sie los!

Da haben Sie Recht. Das ist beim Fernsehen auch so. Dort hilft kein Ausfluchtversuch mehr, und ich finde das eher gut als schlecht. (…) Umgekehrt find ich schon: Politiker dürfen sich nicht alles gefallen lassen, nicht jede Unverschämtheit. Dann würden sie auch von der Öffentlichkeit weniger verachtet.

(Weitere Fragen und Antworten aus Platzgründen ausgelassen)

Sie waren Minister im Kabinett Strauß. (…) Hat die Politiker der Mut verlassen, den Politiker früher noch hatten?

Was den Ministerpräsidenten Strauß angeht, haben mir Spiegel-Redakteure erklärt, dass der FJS oft kein einziges Wort im Text verändert hat. Er hatte eben Macht über die Sprache – was man nicht von allen Heutigen sagen kann.

(Weitere Fragen und Antworten aus Platzgründen ausgelassen)

Wie gehen wir jetzt mit diesem Gespräch um? Ich tippe das zunächst mal ab und …

… jetzt machen’S Ihren Text und drucken ihn. Das wäre ja nur unfreiwillige Satire, wenn ich an dem Text jetzt noch was rummachen täte. Schicken Sie ihn mir nicht, sonst streiche ich irgendwann rum!

Gut, dann machen wir’s so.

Wann kommt der?

In der morgigen Ausgabe.

Jawohl. Dann schreiben Sie drunter: nicht autorisiert!