Die höfliche Kämpferin

Mit Karate steigert Kora Knühmann nicht nur ihr Selbstbewusstsein. Ab Morgen will die Duisburgerin ihren Weltmeistertitel im mexikanischen Monterrey erfolgreich verteidigen

„Auf der Straße hat mich noch nie jemand auf Karate angesprochen“

VON ROLAND LEROI

Kora Knühmann ist eine zierliche junge Dame, ihr Selbstvertrauen hat unter der Körpergröße von 1,59 Meter aber noch nie gelitten. „Wenn mir einer dumm kommt, bin ich immer der Lage, mich durchzusetzen“, sagt die 21-jährige Duisburgerin, der man besser nicht im Dunkeln begegnen sollte. Denn Kora kann Karate – und das sogar richtig gut. Seit zwei Jahren darf sie sich damit rühmen, jüngste Karate-Weltmeisterin aller Zeiten zu sein. Morgen will sie im mexikanischen Monterrey ihren Titel verteidigen.

Für Knühmann ist es wichtig, zu wissen, dass sie sich jederzeit verteidigen kann. „Das steigert mein Selbstbewusstsein“, sagt die Sportsoldatin, die bereits mit vier Jahren ihr erstes Karate-Training besuchte. Oft stellte sie seitdem fest, wie Anfänger Hemmschwellen überbrücken und aus verschüchterten Individuen plötzlich mutige Menschen werden. „Gerade bei Mädchen kann man diese Entwicklung besonders gut sehen. Bei mir war das nicht anders“, sagt Knühmann. Karate fördere außerdem nicht nur die motorischen Fähigkeiten, sondern überdies das Konzentrationsvermögen und die Disziplin.

Denn Karate sei viel mehr als bloßes Draufhauen. Zwei Minuten dauert ein Wettkampf, bei dem die Kontrahenten zwar Fuß- und Fausttechniken benutzen, niemals aber voll durchziehen dürfen. Ein Tritt zum Kopf muss rechtzeitig abgestoppt werden, sonst gibt es eine Verwarnung. „Touchieren ist erlaubt, niemand haut aber feste zu“, sagt Knühmann, die sich darüber ärgert, wenn Kinobesucher, die gerade Karate-Tiger V gesehen haben, von den vielen gebrochenen Knochen schwärmen. Ihr Sport werde ihrer Meinung nach von Außenstehenden völlig falsch verstanden. „Bei uns zerdeppert auch niemand Ziegelsteine“, sagt sie.

„Abgesehen von ein paar blauen Flecken, gibt es bei uns keine Verletzungen“, widerspricht die Niederrheinerin, deren Spezialschlag der Gyaku-zuki ist. Dabei trifft die Faust den gegnerischen Oberkörper. Das bringt nur einen Punkt. Fußtechniken zum Gesicht werden vom Kampfgericht mit drei Zählern belohnt. „Man muss viel taktieren und die Gegnerin aus dem Rhythmus bringen“, sagt Knühmann, die in Fachkreisen nicht gerade freiwillig den Ruf der „höflichen Karateka“ hat. „Damit ist gemeint, dass ich zwar hart aber fair auftrete und Kampfrichter-Entscheidungen niemals in Frage stelle“, glaubt sie. Auch in Mexiko wolle sie ihre Linie beibehalten.

Um dann mindestens in die Medaillenränge zu kommen, trainiert sie seit Monaten mehrmals täglich. Als Soldatin in der Sportfördergruppe Köln-Longerich befindet sich Knühmann in der komfortablen Situation, Karate hauptberuflich ausüben zu können. Nur 30 Prozent ihrer Bundeswehrzeit muss sie bei der Kompanie verbringen. Ansonsten reiche es, wenn sie ihre Trainingspläne zum Stützpunkt schickt. „Als nicht-olympischer Sport sind die Fördergelder für Karate eher gering“, schätzt sie diese Umstände, die ihr eine optimale Vorbereitung ermöglichen. In Ländern wie Frankreich, Spanien oder Italien werde Karate schließlich noch professioneller betrieben.

Trainieren muss Knühmann auch ihre Stimmbänder. Bei Karatekämpfen, die oberflächlich zwar dem Kickboxen gleichen, aber von einer weitaus höheren Dynamik leben, geht es sehr laut zu. Jede Aktion wird von einem durchdringenden Kiai (japanisch: Schrei) begleitet. „Der Kiai hilft, die Körperspannung aufzubauen und die Technik stärker zu machen“, sagt Knühmann, die aber hinterher nicht mehr weiß, was sie genau geschrien hat: „Das kommt aus dem Bauch raus, kein Kiai gleicht dem anderen.“

Knühmann, die in ihrer Gewichtsklasse bis 53 Kilogramm barfuß mit Faustschonern, Mund- und Brustschutz antritt, ist stolz auf ihre Titelsammlung. Bei nationalen und internationalen Wettkämpfen schon vielfach dekoriert, war die WM-Goldmedaille von 2002, die sie als 18-Jährige erreichte, der bisherige Höhepunkt. Damit protzen will sie aber nicht. „Karate ist ein Randsport, auf der Straße hat mich noch nie jemand darauf angesprochen“, ist die unbekannte Weltmeisterin über diesen Umstand nicht unglücklich. Abends in der Disco würde sie auch nicht auf Jungs zugehen und sagen: „Hey, ich kann Karate“. Das schreckt ab. „Sollte ich mal nachts im Park verfolgt werden, renne ich lieber weg“, meint sie. Man wisse ja nie, was die anderen Leute so können. Ihre Fähigkeiten würde sie nur im Notfall zur Geltung bringen, dann aber richtig.

In Mexiko und nächstes Jahr bei den World Games sollen weitere Auszeichnungen folgen. Bei den Weltspielen der nicht-olympischen Sportarten, die vom 14. bis 24 Juli 2005 in Duisburg stattfinden, hat sie schließlich ein Heimspiel. Zuvor steigen am 21. März noch die Deutschen Meisterschaften im Landschaftspark Nord. Als jüngste Weltmeisterin aller Zeiten sind die Erwartungen dann besonders hoch. „Damit kann ich locker umgehen“, meint Kora Knühmann schmunzelnd und ziemlich selbstbewusst.