Viel Wind um Meeresschutz

Schutzgebiete vor Norddeutschlands Küsten weiter umstritten. Umweltorganisation WWF veröffentlicht weitreichende Vorschläge und kritisiert grünen Umweltminister Trittin. Der gehe Konflikten mit Offshore-Windenergieparks aus dem Weg

Für Offshore-Windparks bleibt auch außerhalb schützenswerter Seegebiete Raum

von SVEN-MICHAEL VEIT

Gut gemeint, aber nicht gut gemacht findet Uwe Johannsen die Vorschläge des Bundesumweltministeriums (BMU). „Für einen wirkungsvollen Schutz ist das nicht ausreichend“, krititisiert der Naturschutzreferent beim World Wide Fund For Nature (WWF) die ministeriellen Vorstellungen über neue oder erweiterte Schutzgebiete in Nord- und Ostsee. Gerade die „wertvollen Ökotope auf Riffen und Sandbänken“ sowie die „wichtigsten Verbreitungsgebiete“ von Schweinswalen und seltenen Seevögeln seien dadurch „nicht ausreichend zu schützen“, befindet Johannsen.

Das Haus des grünen Umweltministers Jürgen Trittin hatte am 12. November zehn neue Schutzgebiete „in küstenfernen Bereichen“ von Nord- und Ostsee vorgeschlagen, welche nach der europäischen Richtlinie Natura 2000 unter Schutz gestellt werden sollten. Darunter fallen zwei Vogelschutzgebiete und acht weitere Schutzgebiete, die nach der schärferen EU-Richtlinie Flora-Fauna-Habitat (FFH) eingerichtet werden sollen. Alle liegen außerhalb der deutschen Hoheitsgewässer, weil „Naturschutz nicht an nationalen Grenzen endet“, wie Trittin erkannt hat: „Wir wollen biologische Vielfalt, ihre Lebensräume und Arten auch jenseits der Küstengewässer schützen.“

Grundlage für die Ausweisung der Gebiete sind Daten, die im Auftrag des Bundesamtes für Naturschutz ermittelt wurden. Dazu zählen Erhebungen etwa über Wal-, Seehund- und Fischpopulationen ebenso wie über Nahrungsgründe und Brutgebiete von Seevögeln. Diese Vorschläge werden in diesem Monat in drei öffentlichen Anhörungen erörtert. Die erste begann gestern in Bremen, zwei weitere folgen in Stralsund und Rendsburg.

Nach einer eigenen Auswertung dieser Daten ist der WWF zu der Ansicht gelangt, dass diese Schutzgebiete deutlich größer sein müssten. Eine vergleichende Schutzgebietskarte legte die Organsition gestern vor (siehe Abbildung). Eine weitere Karte mit Vorschlägen für die Ostsee werde „in Kürze“ ebenfalls veröffentlicht.

„Die Gebietsabgrenzungen des BMU“, meint Johannsen erkannt zu haben, „zielen in einigen Gebieten darauf ab, Konflikten mit wirtschaftlichen Nutzungen aus dem Wege zu gehen.“

Nach Ansicht des WWF müssten vor allem weitere Gebiete vor der ostfriesischen Insel Borkum sowie ein großflächiges Areal vor Sylt stärker geschützt werden, bei weiteren Flächen bestehe „vertiefender Forschungsbedarf“. Erforderlich sei dies vor allem im Hinblick auf die Schweinswale, deren Kinderstuben und Hauptnahrungsgebiete vor der schleswig-holsteinischen Küste liegen. Der mit dem Delfin nah verwandte Kleine Tümmler ist die einzige heimische Walart und gilt als vom Aussterben bedroht.

Der WWF vermutet, dass Trittin an Auseinandersetzungen speziell mit Windpark-Betreibern nicht gelegen ist. In der Nordsee – gerade vor Borkum und Sylt – sind große Offshore-Anlagen geplant oder bereits genehmigt. Sie sollen Teil der von den Grünen und ihrem Minister nachhaltig geforderten und geförderten Energiewende sein.

Das dürfe aber nicht zu Lasten von Schutzgebieten gehen, mahnt Johannsen. Für den „naturverträglichen Ausbau der Offshore-Windenergie“, meint der WWF-Experte, „bleibt auch außerhalb der schützenswerten Seegebiete genügend Raum.“

Öffentliche Anhörungstermine: Mittwoch, 10. 12., 15 Uhr, Deutsches Meeresmuseum Stralsund, Katharinenberg 14–20; Donnerstag, 11. 12., 16 Uhr, Kulturzentrum Rendsburg, Arsenalstr. 2–10. Infos: www.bmu.de oder www.HabitatMareNatura2000.de.