ITALIEN: DER SPÄTFASCHISMUS GIBT SICH DEMOKRATISCH
: Mussolini im Hinterstübchen

Zu Recht hat Gianfranco Fini den Ruf, ein Meister des politischen Geschäfts zu sein. Vor zehn Jahren noch war er Vorsitzender des faschistischen Movimento Sociale Italiano – der MSI war ein Auslaufmodell für Mussolini-Nostalgiker ohne jeden Einfluss auf die politischen Geschicke Italiens. Heute ist Fini Chef der offiziell demokratisch gewendeten Alleanza Nazionale, die bei den letzten Wahlen 12 Prozent einfuhr. Die Partei sitzt in Berlusconis Regierung, und Fini, gestern noch Faschist, darf sich heute mit dem Titel Vizepremier schmücken.

Dazu bedurfte es des Abschieds vom rechtsradikalen Schmuddelimage. Auf den Parteitagen sieht man heute nicht mehr die zum römischen Gruß gereckten Arme; die Delegierten treten ganz zivil im Anzug statt im Schwarzhemd an; das Grölen faschistischer Parolen ist verpönt. Doch – und das war wirklich meisterlich von Fini – der Abschied war kein Bruch. Die Beletage der Partei wurde demokratisch aufgeputzt, die Duce-Büsten landeten aber nicht etwa auf dem Sperrmüll, sondern bloß im Hinterstübchen, wo die Kameraden unter sich sind. Und dort, im wohligen Mief von gestern, ist die Mehrheit der Parteimitglieder weiter mit dem Herz zu Hause. Bloß ihr Verstand akzeptierte die Notwendigkeit des demokratischen Re-Styling.

Innenpolitisch reichte diese Übung, um Mussolinis Erben an die Macht zu tragen – selbst bei großen Teilen der italienischen Linken gilt es heute als unfein, den Rechten ihre Vergangenheit vorzurechnen. Doch das demokratische Ausland ist nicht so leicht zufrieden zu stellen. Ihm muss der ehrgeizige Fini mehr bieten, wenn er je, wie er hofft, die Nachfolge Berlusconis als Regierungschef antreten will. Deshalb rechnete Fini auf seiner Israel-Reise letzte Woche radikal wie nie mit dem Duce ab – und hat nun ein Problem. Die Partei ist in Aufruhr, die Mitglieder protestieren zu tausenden, und die Duce-Enkelin Alessandra Mussolini trat aus. Jetzt kommt die Zeit für Finis Meisterstück: das Ausland von seiner demokratischen Reputierlichkeit zu überzeugen, während das Parteivolk zu Hause verärgert, aber weiterhin bei der Sache, die Mussolini-Büsten wienert. MICHAEL BRAUN