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Von einem, der weg wollte

Sascha Reh schreibt seit er 16 ist. Bislang fast nur für die Schublade. Nun wurde ihm der Literatur-Förderpreis Ruhrgebiet verliehen. Für eine Fußballgeschichte, die eigentlich keine ist

VON BORIS R. ROSENKRANZ

Es ist eine zwiespältige Angelegenheit zwischen ihm und seiner Heimat. „Ich bin mein ganzes Leben nicht richtig weg gekommen aus Duisburg“, sagt Sascha Reh. Obwohl er gerne gegangen wäre, weg hier, weg aus dem Revier. Nur kurz ist es ihm gelungen, „acht Monate oder so.“ Da war Sascha Reh in Wien, studieren. Und jetzt ist er wieder in Duisburg. Weil ihm die Stadt eigentlich doch egal ist. „Hauptsache, meine Freunde sind da.“

Die sind auch am Freitag da, als Sascha Reh der Literaturförderpreis Ruhrgebiet verliehen wird, der ihm für seine Fußballgeschichte „Tief stehen“ zugesprochen wurde. Eine Fußballgeschichte, die eigentlich keine ist. Denn in Rehs Erzählung dient das Spiel nur als Folie für die Begegnung von Martin und seinem Sohn, Lukas, den er lange nicht gesehen hat. Eine Verabredung, in dem die Dialoge spartanisch, die Annäherung der Protagonisten kompliziert ist. Wie bei Reh selbst, dessen Eltern auch getrennt sind? „Nein“, sagt Reh, „an meinen Vater habe ich beim Schreiben nicht gedacht.“

Mit Duisburg ist Sascha Reh, der die Haare dandyhaft lang, den Bart ordentlich gestutzt trägt, jedenfalls fest verbunden. Hier wurde er ins Leben geschickt, hier ging er zur Schule, machte Abitur. Dass er dennoch weg wollte, war dem Drang nach Neuem geschuldet, nach frischen Eindrücken. „Heute geht‘s wieder“, sagt Sascha Reh und schiebt seine Brille hoch. Der Drang, unbedingt nach Berlin zu müssen, weil alle erzählen, wie viel da passiert, ist verschwunden. Heute generiert sich das Großstadtgefühl aus der Pendlerei. Wenn Sascha Reh nach Bochum fährt, um an der Ruhr-Universität Geschichte, Philosophie und Literatur zu studieren. Ein paar Monate noch, bis seine Magisterarbeit fertig ist. „Endlich“, denn an der Uni, sagt Reh, fühle er sich „nicht mehr zugehörig.“ Aber wo gehört er dann hin? Was sagt er, wenn er nach seinem Beruf gefragt wird?

Er sagt: Jugendhelfer. Weil die meisten Menschen damit etwas anfangen können, dass er Jugendlichen hilft, die ihr Leben nicht im Griff haben. Schriftsteller hingegen, findet Reh, „damit haben viele ein Problem.“ Trotzdem liegt es ihm beizeiten auf der Zunge, „weil es das ist, was ich aus tiefster Seele will.“ Und immer schon wollte.

Mit 16 begann Sascha Reh zu schreiben. Natürlich Lyrik. „In der Tradition von Kästner und Ringelnatz“, sagt er, was sich dann doch sehr nach Dichter anhört, nicht nach Jugendhelfer. Mit 21 der erste Roman. Bis Seite 200 sei er gekommen – „dann war das aber Scheiße“. Also weg damit. Nächster Roman. Wieder weg. Noch mal von vorn. Müll. So ging das eine ganze Weile. Heute ruhen vier Fragmente im Bauch seines Computers. Für seinen letzten Roman, den er auch fertig geschrieben hat, sucht Sascha Reh jetzt einen Verleger. Für eine Geschichte, in der ein Filmemacher seinen eigenen Film erlebt. Halb real, halb phantastisch sei das, sagt Sascha Reh, der als Vorbild erst Franz Kafka angibt, dann aber eine kaschierende Geste macht und lacht: „Ach nein, das ist abgeschmackt.“ Dann doch eher Mario Vargas Llosa. „Der ist besser.“

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