Ein Last-Minute-Tor rettet Hertha das Remis

Viele Chancen, keine Tore. Auch gegen die abstiegsbedrohten Rostocker hält Herthas Sturmmisere an. Erst Sekunden vor dem Abpfiff gelingt Mittelfeldmann Marcelinho der Ausgleich. Nach langer Verletzungspause ist Billy Reina wieder dabei. Aber der Stürmer wird viel zu selten angespielt

VON ANDREAS RÜTTENAUER

Er hat wieder einmal keinen schönen Nachmittag verlebt im Berliner Olympiastadion, und wieder einmal musste er gute Miene zum durchwachsenen Spiel seiner Mannschaft machen. Freundlich beantworte Dieter Hoeneß nach dem 1:1 seiner Hertha gegen Hansa Rostock immer wieder die gleiche Frage, die da lautete: „Braucht Hertha einen neuen Stürmer?“ Man werde, so der Manager der Berliner, über diese Frage nachdenken, wenn es Sinn mache.

Aber macht es nicht schon lange Sinn? Fredi Bobic, nun, was soll man noch über ihn schreiben? Dass er wieder einmal eine hochkarätige Torchance nicht nutzen konnte, braucht eigentlich nicht mehr berichtet zu werden, das versteht sich mittlerweile von selbst. Nando Rafael, der am Samstag mit Bobic das Sturmduo bildete, mag auch nicht recht in Form kommen. Vielleicht täte es ihm gut, wenn er öfter zum Zug kommen könnte. Dann würde er vielleicht nicht so übermotiviert und nervös über den Platz hirschen wie im Spiel gegen Rostock. Auch er verhalf einer Großchance zum sicheren Tod. Dass bei Artur Wichniarek, der in der zweiten Hälfte für Rafael eingewechselt wurde, noch einmal der Knoten platzen wird, kann sich niemand mehr vorstellen.

Doch, einen Hoffnungsträger gibt es noch im Hertha-Sturm. Billy Reina gehört – nachdem er mehr als ein halbes Jahr verletzt war – wieder zum Team. Gegen Rostock durfte der Noteinkauf der vergangenen Saison nach seinem Kreuzbandriss wieder mitspielen. Doch seine Kollegen hatten lange Zeit gar nicht bemerkt, dass da auf der rechten Seite einer steht, der nur darauf wartet, einen Ball zu bekommen. Viel zu selten wurde Reina angespielt, und so hatten die Fans nur wenige Male die Gelegenheit, ein lang gezogenes „Biiilllyyy“ durchs Oval zu brüllen. Doch ein Torjäger war auch der Wiedergenesene eigentlich noch nie und so wird er das Hauptproblem der Hertha auch dann nicht lösen, wenn er öfter angespielt wird.

In der Winterpause gibt es wieder die Möglichkeit, neue Spieler unter Vertrag zu nehmen. Wenn Hoeneß erst dann anfängt nachzudenken, werden die interessantesten Spieler vergeben sein. „Ich kann ihnen versichern, dass an all den Namen, die derzeit kursieren, nichts dran ist“, betonte er und bat die Presse, keine weiteren Namen in die Umlaufbahn zu schießen.

Aufgrund einer doch augenfälligen Heimschwäche vermuteten viele Beobachter, Hertha habe immer dann Probleme, wenn die Mannschaft selbst das Spiel machen müsse. Doch genau das gelang den Berlinern am Samstag ganz gut. Immer wieder wurde der Ball auf ansehnliche Art und Weise in den gegnerischen Strafraum getragen. Dort allerdings gab es niemanden, der etwas mit ihm anfangen konnte. Wieder einmal war es eine Einzelleistung Marcelinhos, die Hertha jubeln ließ. Jubeln über ein Pünktchen gegen den abgeschlagenen Tabellenletzten.

So richtig tragisch nahm die Punktverluste gegen Rostock eigentlich niemand. Viele Spieler scheinen sich damit abgefunden zu haben, dass es im Olympiastadion nicht gut läuft. Und schließlich folgt auf jedes Heimspiel wieder ein Auswärtsspiel. Jetzt freuen sich die Spieler schon auf das nächste Wochenende. In Wolfsburg soll alles wieder gut werden. Warum? „Da dürfen wir wieder auswärts spielen“, meinte Torwart Christian Fiedler nach dem Spiel. Auch Trainer Falko Götz und Abwehrrecke Alexander Madlung witzelten sich mit einer Bemerkung über das anstehende Auswärtsspiel um eine Begründung für die Sturmflaute bei Hertha herum.

Einzig Dieter Hoeneß scheint das Problem erkannt zu haben. Er sagte: „Wenn der Spielaufbau nicht funktioniert, dann kann man keine Tore schießen.“ Dann fügte er an: „Bei uns funktioniert der Spielaufbau, aber …“ An dieser Stelle brach der Manager ab. Die Umstehenden hatten ihn dennoch verstanden. Sie hatten das Spiel ja auch gesehen.