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Archiv-Artikel

Schülerläden machen Druck

Tausend Eltern und Kinder demonstrieren für den Erhalt von Schülerläden. Bildungssenator Klaus Böger will Übergangsregelung neu prüfen. Grüne: Für viele Läden ist es bereits zu spät

VON SABINE AM ORDE

So bunt sieht die Straße vor dem Abgeordnetenhaus selten aus. Zum Abschluss ihrer Demonstration haben Eltern und Kinder ihre Forderungen mit farbiger Kreide auf den Asphalt geschrieben: „Schülerläden sollen bleiben“, steht da jetzt in leuchtendem Blau, daneben in Pink „Wir haben Platzangst“ und „Bewährte Strukturen nicht kaputtmachen“. Rund tausend Eltern, ErzieherInnen und Kinder sind am Samstagnachmittag trotz Kälte und Nieselregen zum Potsdamer Platz gekommen, um gegen die Politik von Bildungssenator Klaus Böger (SPD) zu demonstrieren.

Danach sollen ab dem kommenden Schuljahr die Grundschulen für die Nachmittagsbetreuung ihrer Kinder zuständig sein. Im Ostteil der Stadt ist das bereits an den meisten Schulen der Fall, im Westteil steht eine riesige Umstrukturierung an. Insgesamt 33.000 Betreuungsplätze müssen von den Horten und Schülerläden an die Schulen verlagert werden. Dabei können die Schulen mit freien Trägern, zu denen auch die kleinen Schülerläden gehören, zusammenarbeiten. Das heißt aber auch: Staatlich geförderte Betreuungsplätze wird es nur noch für solche Einrichtungen geben, die mit einer Grundschule kooperieren.

Und an eine solche Kooperation zu kommen, ist für die 250 Schülerläden der Stadt ausgesprochen schwierig. Denn die Bildungsverwaltung hat erst in der vergangenen Woche zugestimmt, dass die Zusammenarbeit zwischen einer Schule und einem einzelnen Laden überhaupt möglich ist. Viele Schulleiter aber haben – mit Blick auf die immer knapper werdende Zeit – sich längst nach Kooperationspartnern umgeschaut. Außerdem ist es vielen von ihnen lieber, mit einem großen Träger zusammenzuarbeiten als mit zahlreichen kleinen.

Auch für den Kreuzberger Schülerladen „Tigerauge“ sieht es nicht gut aus. Die meisten Tigeraugen-Kinder gehen auf die Clara-Grunwald-Schule in der Halleschen Straße, die sich mit Montessori-Pädagogik einen Namen gemacht hat. An die Schule grenzt eine staatliche Kita, die künftig für die Nachmittagsbetreuung der GrundschülerInnen genutzt werden soll. Ob diese dann vom Bezirk oder von einem freien Träger betrieben wird, sei noch offen, sagt Anne Mikus, eine Tigeraugen-Mutter. Wirklich optimistisch klingt sie dabei nicht. Doch kampflos aufgeben will der Schülerladen mit „dieser besonderen pädagogischen Arbeit“ auf keinen Fall. Deshalb hat Mikus gemeinsam mit anderen Tigeraugen-Eltern die Demonstration organisiert.

Jetzt steht sie eingemummelt mit Wollmütze und Schal vor dem Abgeordnetenhaus und hält ein Plakat mit den Hauptforderungen der DemonstrantInnen hoch. „Wir brauchen zumindest eine längere Übergangsfrist, um an problematischen Standorten gute Lösungen zu finden“, sagt sie. Für die Schülerläden fordert Mikus, dass diese im kommenden Schuljahr noch einmal Erstklässler aufnehmen dürfen –auch wenn sie keinen Vertrag mit einer Schule geschlossen haben. Die bisherige Regelung sieht das nicht vor. Zwar haben die Kinder, die bereits im Schülerladen sind, einen Bestandsschutz, aber eben nur, wenn der Laden nicht pleite geht. Das aber droht, wenn der Nachwuchs ausbleibt.

Bildungssenator Böger scheint nicht mehr ganz abgeneigt, den Schülerläden zumindest dieses Zugeständnis zu machen. Seine Verwaltung werde die Verschiebung des Aufnahmestopps prüfen, sagte Böger am Wochenende. „Ausschließen will ich das nicht.“ Das würde das Ende vieler Schülerläden zwar verzögern, aber nicht abwehren.

Das kritisiert auch die grüne Kitaexpertin Elfi Jantzen. Für die Schülerläden sei der gefundene Kompromiss kein Rettungsanker. „Die Finanzierungskonzepte sind auf so kleine Betreuungseinheiten, wie es Schülerläden oft sind, nicht ausgerichtet.“ Vielen werde daher nur eine „Galgenfrist“ bis zur Schließung eingeräumt.

Das weiß auch Demo-Organisatorin Mikus. „Noch sind die Schülerläden nicht gerettet.“ Viele Eltern nämlich hätten Presseberichte über die Einigung der freien Träger mit der Bildungsverwaltung völlig falsch interpretiert. „Jetzt gibt es offiziell die Möglichkeit zu Kooperationen“, sagt Mikus. Doch die eigentliche Arbeit stehe noch an. „Wir müssen Schulen und Bezirke überzeugen.“