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Archiv-Artikel

Wie geht es uns, Herr Küppersbusch?

Die Idee, man könnte in den Wirtschaftsraum Deutschland einwandern, ohne dabei auch den Kulturraum zu betreten, stammt ursprünglich von uns: Sie hieß „Gastarbeiter“. Im Ruhrgebiet funktioniert die Integration trotzdem ganz gut

Von SR

taz: Was war schlecht in der letzten Woche?

Friedrich Küppersbusch: Großes Verliebtsein der Medien in Vorderbühne (Hotte Seehofer) statt Kulisse (Union verlässt paritätischen Konsens der Gesellschaft).

Was wird besser in dieser ?

Rot-Grün kann nun in Ruhe eine ausgereifte Gesundheitsreform vorlegen, nachdem die Union alle Modelle durchprobiert hat, die nicht taugen.

Hat Horst Seehofer noch eine Zukunft in der Union? Oder ist das ein Rückzug auf Raten?

Die stattliche Ahnengalerie der Gesundheitsminister der letzten 20 Jahre: Heiner Geißler, Rita Süssmuth, Ursula Lehr, Gerda Hasselfeldt, Horst Seehofer, Andrea Fischer, Ursula Schmidt – lässt die Frage zu, ob hier regelmäßig auch kompetente Politiker ausgetauscht werden, um inkompetente Politik fortsetzen zu können. Auch in der Opposition.

Ist die Kultur des Widerspruchs und Rücktritts, die Merz/Seehofer zeigen, etwas Neues für die Konservativen? Oder äußern sich Konkurrenzkämpfe heute nur deutlicher?

Vielleicht ist es auch einfach neu und schwierig, gegen Mädchen zu verlieren.

Wenn man den Medien glaubt, scheinen wir uns mitten in einem Kampf der Kulturen zu befinden. Ist das nur ein gefühlter Krieg (wie zum Teil die Angst vor Kriminalität)? Oder gibt es Probleme, die wir zu lange ausgeklammert haben?

Gemessen an Willy Brandts Warnung vor dem Nord-Süd-Konflikt als Nachfolger des Kalten Krieges geht’s uns – makaber in Anbetracht des 11. 9., Madrids und van Goghs – gut. Eine Eskalation in religiöse Blöcke ist in Bushs Wiederwahl angedeutet, die Europäer tun sich schwer mit der Integration nichtchristlicher Staaten oder Bevölkerungsgruppen. Aber gerade das ist die Strategie gegen eine außenpolitische Konfrontation. Kern des Konflikts ist nicht spirituelle, sondern materielle Ungleichheit, und hier sind auch die Lösungsansätze zu suchen.

Angela Merkel findet, dass die multikulturelle Gesellschaft gescheitert ist, Stoiber und Schönbohm blasen ins gleiche Horn. Ist das nur konservatives Agitprop oder zeichnet sich da eine Wende im Verhältnis zu Migranten ab?

Toll, was man in Ostdeutschland über Migration gelesen hat. Nun bitte eine Meinung aus der Schweiz zur Lage der deutschen Hochseeflotte.

Waren wir zu lieb, zu anspruchslos zu den Migranten?

Die Idee, man könne dem Wirtschaftsraum Deutschland zuwandern, ohne den Verfassungs- und Kulturraum zu betreten, stammt von uns: „Gastarbeiter“. Als Insasse des Ruhrgebietes lasse ich mir aber nicht von anderswo vorschreiben, es könne nicht gelingen, was hier seit 150 Jahren ordentlich funktioniert. Unser Dorf soll Döner werden.

Die deutsche Wirtschaft wird auch weiterhin kaum zulegen. Die Schulden wachsen, die Arbeitslosenzahlen auch. Irgendeine Idee, wie man was ändern kann?

Der Rückweg in die Industrieproduktion durch Niedriglohn ist eine Idylle, mit der ratlose Unternehmer ihr Versagen kaschieren. Nach 15 Jahren Standortmasochismus ist es an der Zeit, den Vertrauensschwund des Managements in neue Wirtschaftsformen umzusetzen.

Die US-Armee hat Falludscha in Schutt und Asche gebombt, von einer Mäßigung George Bushs in seiner zweiten Amtszeit keine Spur. Müssen wir Angst haben?

Immer besser: Sorge statt Angst.

Und was macht Borussia Dortmund?

Es fällt schwer, sich nicht auszumalen, wie eine mit ein paar günstigen Profis verstärkte Amateurauswahl ungefähr genauso wenig Punkte einfährt wie das derzeitige schwarz-gelbe Investitionsdesaster. FRAGEN: SR