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Archiv-Artikel

VENEZUELA: DER OPPOSITION MANGELT ES AN ALTERNATIVEN ZUR REGIERUNG Chávez ist noch lange nicht besiegt

Unabhängig davon, ob Venezuelas Opposition jene 2,4 Millionen Unterschriften erreicht hat, die sie für ihr Misstrauensreferendum gegen Hugo Chávez braucht: Die erste Runde im nunmehr verfassungsmäßigen Ringen um die Macht ging an den linksnationalistischen Staatschef. Nach dem gescheiterten Putschversuch von 2002 und dem zweimonatigen Ausstand im Erdölsektor vor einem Jahr ist es Chávez gelungen, die Opposition auf die Spielregeln „seiner“ Verfassung zu verpflichten. Demnach kann die Bevölkerung ihr Votum für gewählte MandatsträgerInnen nach der Hälfte der Amtszeit rückgängig machen – ein nicht nur für Lateinamerika bemerkenswerter Kontrollmechanismus.

Noch eine zweite Spezialität gilt es zu beachten: Wenn 20 Prozent der Wahlberechtigten unterschreiben, kommt es zur Abstimmung, bei der aber die Negativstimmen das zuletzt erreichte Wahlergebnis übertreffen müssen. Sowohl die Fans des Präsidenten als auch seine Gegner werden alle erdenklichen Tricks einsetzen, um das jeweils gewünschte Ergebnis zu erzielen – viel Arbeit für die Staatsanwaltschaft.

Der Machtkampf in Venezuela geht nun auf verschiedenen Ebenen weiter. Auf der propagandistischen: Die Opposition meldet unüberprüfbare Erfolgsmeldungen über die Beteiligung an der Unterschriftensammlung, wogegen die Regierung bereits jetzt von „Betrug“ und „Scheitern“ spricht. Auf der wahltechnischen: Die offiziellen Ergebnisse muss der – politisch ausgewogen besetzte – Nationale Wahlrat ermitteln. Schließlich auf der politischen: Während Chávez seine Machtbasis zementiert, ist die Opposition immer noch kaum über ihren kleinsten gemeinsamen Nenner hinausgekommen.

Der lautet: „Weg mit Chávez!“ Das aber reicht nicht. Wollen die Anti-Chávistas ihr Ziel auf demokratischem Weg erreichen, werden sie sich bald auf Inhalte und einen überzeugenden Gegenkandidaten verständigen müssen. Andernfalls kann Hugo Chávez dem kommenden Wahlkampf zuversichtlich entgegensehen. GERHARD DILGER