piwik no script img

Archiv-Artikel

„Eine hemdsärmelige, geschäftsorientierte Außenpolitik“

Beim Koalitionspartner der SPD stößt der geplante Verkauf der Hanauer Atomanlage auf Ablehnung: So werde der rot-grüne Atomausstieg konterkariert

BERLIN taz ■ Vermutlich ist es die letzte Chance der Siemens AG, ihre Brennelementfabrik aus dem hessischen Hanau loszuwerden, ohne sie bei eBay zu versteigern. Doch nun regt sich heftiger Protest gegen das Vorhaben, das Werk zur Herstellung von atomaren Brennstäben nach China zu exportieren. Ein möglicher Verkauf der Plutoniumfabrik ist gerade für die Grünen ein heikles Thema – schließlich hat die Partei maßgeblich dazu beigetragen, dass die schon 1991 fertig gestellte Anlage niemals in Betrieb ging. Nun aber hat der Kanzler die Frage nach dem Export des Werks überraschend auf die Tagesordnung gesetzt – obwohl es dazu noch keine gemeinsame Linie der Koalition gibt.

Gerhard Schröder jedoch legte sich gestern schon einmal vorsichtig fest. „Es sieht nicht so aus, als ob es unbedingt etwas gäbe, was dagegen spräche“, verkündete der Kanzler aus dem Süden Chinas. Offiziell äußerte man sich bei den Grünen zunächst zurückhaltend. Man wolle, so hieß es, das Ergebnis der vom Kanzler erwähnten Prüfung abwarten – und erst dann selbst entscheiden. Auch in der Fraktion der SPD wollte niemand zu dem heiklen Thema Stellung nehmen. „Wir werden uns auf jeden Fall damit beschäftigen“, sagte der SPD-Fraktionsvize Michael Müller der taz. Unter der Hand aber soll der Verkauf so gut wie beschlossen sein. Ein Export der Plutoniumfabrik sei „sicherheitspolitisch nicht problematisch“, verlautete aus Kreisen der Koalition. Auch „umweltpolitisch“ gebe es „keine Bedenken“.

Das aber sehen nicht alle Abgeordneten so. „Falsch und im Widerspruch zu den Vereinbarungen von Rot-Grün“, nennt der grüne Abgeordnete Winfried Hermann einen möglichen Export der Anlage. Man könne nicht in Deutschland den Ausstieg aus der Risiko-Technologie Atomenergie beschließen und dann diese Risiken nach China exportieren, so Hermann gegenüber der taz. Es handele sich um eine „hemdsärmelige, geschäftsorientierte Außenpolitik, die ethische Maßstäbe vermissen lässt“. Hermann appellierte an Außenminister Joschka Fischer, sich gegen einen Verkauf stark zu machen. „Ich hoffe, dass Fischer genügend Skrupel hat, da nicht mitzuspielen.“

Auch der grüne Abgeordnete Winfried Nachtwei will prüfen, ob der Export verhindert werden kann. Nachtwei sagte, er sei sich „sicher, dass das Auswärtige Amt ein besonderes Augenmerk auf die sicherheitspolitischen Aspekte werfen wird“.

Ein Verkauf der Anlage würde unter die Dual-Use-Bestimmungen der EU fallen. Diese regeln den Export von Gütern, die auch militärisch genutzt werden können. Über einen Verkauf entscheidet der Ausfuhrausschuss, dem auch das Auswärtige Amt angehört. Siemens hat bereits im Februar 2003 eine entsprechende Vorabanfrage beim Bundesausfuhramt gestellt. Schon vor zwei Jahren war der Verkauf der Anlage nach Russland gescheitert. Im Moment lagert die Fabrik komplett abgebaut und in Seecontainern verpackt auf dem Betriebsgelände in Hanau – fertig zur Verschickung. ANDREAS SPANNBAUER