: Antisemitismus-Studie öffentlich
Europäischer Jüdischer Kongress stellt unter Verschluss gehaltenen Report der EU ins Internet und kritisiert politische Gründe für Unterdrückung der Wiener Studie
BERLIN taz ■ Der Europäische Jüdische Kongress (EJC) hat überraschend die bisher unter Verschluss gehaltene Studie der Europäischen Union zum Antisemitismus in den Mitgliedstaaten veröffentlicht. Die Europäische Stelle zur Beobachtung von Rassismus und Fremdenfeindlichkeit (EUMC) in Wien, eine EU-Agentur, hatte die Studie beim Zentrum für Antisemitismusforschung in Berlin in Auftrag gegeben. Die Ergebnisse aber waren fast ein Jahr lang nicht veröffentlicht worden (siehe gestrige taz).
Während die EUMC in Wien die Nichtpublikation damit begründete, die Qualität der Studie sei wegen unzureichender Daten nicht ausreichend, hielten die Berliner Forscher politische Gründe für die Nichtveröffentlichung für ausschlaggebend: Unterdrückt werden sollte demnach in erster Linie das Ergebnis der Studie, wonach vor allem muslimische Zuwanderer für die Zunahme antisemitischer Vorfälle in der EU verantwortlich seien.
Der Report stellt fest, es habe in der EU „eindeutig einen Zuwachs antisemitischer Aktivitäten seit der Eskalation des Nahostkonflikts im Jahr 2000 mit einem Höhepunkt im Frühjahr 2002“ gegeben. Die Studie schreibt zudem, dass physische Attacken auf Juden sowie die Entweihung und Zerstörung von Synagogen im Beobachtungszeitraum, der ersten Jahreshälfte 2002, „oft von jungen muslimischen Tätern begangen wurden“. In einigen Staaten wie etwa in Irland und Luxemburg sei es praktisch ruhig geblieben. In Frankreich, Belgien, den Niederlanden und Großbritannien dagegen habe es „ziemlich harte antisemtische Vorfälle“ gegeben. In Großbritannien zählte man 20 Vorfälle „extremer Gewalt“ – Attacken, die lebensbedrohlich waren. Für Deutschland erfasste die Studie vier Gewalttaten: drei gegen Gebäude, eine gegen zwei Jüdinnen in Berlin.
Der Europäische Jüdische Kongress verurteilte die bisherige Nichtveröffentlichung der Studie als „eindeutig politische Entscheidung“. Es rief die EU-Regierungen zu konkreten Maßnahmen gegen Antisemitismus auf. Zugleich stellte der EJC in den Raum, ob man im Beratergremium der EUMC Konsequenzen ziehen solle. Die EUMC sah sich gestern aufgrund eines herausragenden Termins nicht in der Lage, eine Stellungnahme abzugeben. PHILIPP GESSLER
Studie abrufbar unter www.crif.org