: Böger lernt Interreligiöses
SPD-Schulsenator will verbindlichen Werteunterricht, hat aber Koalitionspartner PDS nicht hinter sich. Die SPD will die seit Jahren diskutierte Frage möglichst bis zum Parteitag im Frühjahr klären
VON STEFAN ALBERTI
Schulsenator Klaus Böger (SPD) unternimmt einen neuen Vorstoß zu einem verbindlichen Werteunterricht in Berliner Schulen – und stößt damit beim Koalitionspartner PDS auf Widerstand. Böger will zwar einen auch von der PDS geforderten Unterricht in Lebenskunde/Ethik/Religion (LER) „so schnell wie möglich“ einführen. Er schließt aber Abmeldungen von LER hin zum Unterricht einer Glaubensgemeinschaft nicht aus. So verfährt auch Brandenburg. Das aber will die PDS nicht mitmachen. „Das wäre eine Rolle rückwärts in die Zeit vor der Aufklärung“, sagt ihre schulpolitische Sprecherin Siglinde Schaub.
Schaub wie auch ihre SPD-Kollegin Felicitas Tesch zeigten sich überrascht, dass sie von den Plänen zuerst aus den Medien erfuhren und nicht von Böger. Für dessen Sprecher Kenneth Frisse ist die Idee seines Chefs zwar formell gesehen noch kein Gesetzentwurf, aber „ein Diskussionspapier, das 1:1 umsetzbar ist“.
In der SPD-Fraktion fand der Vorstoß laut Sprecher Hans-Peter Stadtmüller „Beachtung und Sympathie“. Fraktions- und Landeschef Michael Müller sei schon länger ähnlicher Ansicht. „Ich denke, dass das in der SPD-Fraktion mehrheitsfähig ist, aber es ist noch nicht entschieden“, sagte Stadtmüller. Natürlich wolle man die PDS dabeihaben „und auch mit denen in der SPD reden, die noch skeptisch sind“. Als möglichen Schlusspunkt nannte er den SPD-Landesparteitag zu Bildung im nächsten Frühjahr. Den zentralen Konflikt mit der PDS, die von Böger vorgesehene Abmeldemöglichkeit, ordnete er ein unter „Details, auf die wir uns jetzt nicht festlegen wollen“.
Die SPD hatte sich bereits bei einem Parteitag 2001 auf ein verpflichtendes Wertefach festgelegt. Für PDS-Politikerin Schaub konterkariert eine Abmeldemöglichkeit zu religiösem oder weltanschaulichem Unterricht die Idee, gemeinsam gegenseitiges Verständnis zu entwickeln. Die Religion, für Schaub Privatsache und nicht Angelegenheit der Schulen, käme zudem so durch die Hintertür rein.
Derzeit sind wegen einer Spezialklausel für Berlin und Bremen die Glaubensgemeinschaften und der Humanistische Verband innerhalb eines gewissen staatlichen Rahmens für Religions- oder Lebenskundeunterricht selbst verantwortlich, das Land trägt lediglich den Großteil der Kosten. Dazu gehört auch die umstrittene Islamische Föderation, die gerichtlich durchsetzte, wie die christlichen Kirchen in staatlichen Schulen unterrichten zu dürfen. Dieses Modell des Machenlassens ist für Böger überholt. Laut Sprecher Frisse hält er es für möglich, die Föderation über erhöhte Anforderungen aus den Schulen rauszubekommen.
Die Schulexpertinnen der Fraktionen sind da skeptisch. „Raus kriegen wir die Föderation nicht“, sagt Tesch. „Schlicht Quatsch“ ist Bögers Anliegen für Schaub, die auf bereits erhöhte Anforderungen im erst in diesem Jahr beschlossenen neuen Schulgesetz verweist.
Die Opposition reagierte gespalten auf Bögers Initiative. Die Grünen fordern wie die PDS ein Fach LER ohne Abwahlmöglichkeit. „Das friedliche Zusammenleben in einer pluralistischen Gesellschaft ergibt sich nicht von allein“, sagt ihr Schulpolitiker Özcan Mutlu. Die CDU fordert eine Wahlmöglichkeit zwischen Religion und einem Fach Ethik/Philosophie. Die FDP fordert Ähnliches, spricht sich für ein Wahlpflichtfach Religion mit der Alternative Ethik/Philosophie aus.