der homosexuelle mann … von ELMAR KRAUSHAAR
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… wie mögen Sie ihn eigentlich am liebsten? Als großen Herren-Imitator wie Guido Westerwelle? Oder eher ladylike und zickig wie Rudolf „Daisy“ Mooshammer? Auf ewig juvenil wie Jürgen Marcus? Wie Dirk Bach komisch und fett? Oder doch lieber gleich ganz verdreht, wie Lilo Wanders, mit falschen Titten und einer Perücke, die so sicher sitzt wie ein Bundeswehrhelm? Auf die mediale Entfernung alles kein Problem, ganz wunderbare Menschen! Aber wie wäre es mit einem der Genannten in der Nachbarschaft? Oder – nur mal so zum Üben – einmal kurz mit einem von ihnen gemeinsam pinkeln auf der Herrentoilette?

Wenn Sie ein richtiger Mann sind, zucken Sie jetzt ganz leicht zurück, ein bisschen panisch. Und sind Sie eine Frau, winken Sie wahrscheinlich ab und wollen lächeln, aber es gelingt nicht. Nein, schwule Männer, wenn es denn sein muss und sie einem auf die Pelle rücken, sollen ganz und gar unschwul sein, so gefallen sie am besten. Ganz dankbar reagieren Sie darauf mit zuckersüßem Kompliment: „Jetzt mal ehrlich, du wirkst ü b e r h a u p t nicht schwul!“ Wie oft müssen sich Schwule das anhören, wie oft müssen sie es lesen!

Wie unlängst wieder einmal im Berliner Tagesspiegel. Da traf die Rezensentin Susanne Nieder den Krimi-Autor Christian Schünemann und konnte es sich nicht verkneifen: „Schünemann selbst hat um seine Homosexualität nie ein Aufhebens gemacht.“ Der gute Junge! Aber was ist eigentlich „ein Aufhebens“? Wann hört das auf – wann fängt das an? Oder genauer gefragt: Wo sitzt Ihre Toleranzgrenze? Was sind Sie bereit zu ertragen und wann verlassen Sie empört den Raum? Ich muss gestehen, ich habe in meiner langen, sehr langen Karriere des Soseins immer noch nicht die Grenze, Ihre Grenze erkannt. Nicht, dass es sie gar nicht gäbe – sie gibt es, aber Sie sind so geschickt, sie ständig zu verschieben, dass sie sich nicht greifen lässt. Wie oft habe ich das schon erlebt: Da plaudere ich unaufgeregt mit Ihnen wie mit meinesgleichen, tapfer hören Sie sich alles an und können sogar lachen an den richtigen Stellen. Und dann wird mir anschließend Ihre übellaunige Nachrede hintertragen: „Dieser Arschficker! So eine blöde Tunte! Mein Gott, diese Homos!“, und schon sind wir wieder zurück auf null.

Manchmal, ganz manchmal, kommt ein bisschen Neid auf, wenn mir ältere Freunde erzählen, wie es früher war: Da hielt man’s Maul, kein homosexuelles Wort, und rutschte einem doch mal was raus, bekam man eine aufs Maul. Das waren klare Ansagen, klare Fronten. Aber heute? Nein, keine Fronten, die wollen Sie nicht, Sie sind ja tolerant. Dabei geben Sie vor, welche homosexuelle Figur zugelassen ist in Ihrer Welt und welche nicht. Alles, was Sie in irgendeine Bedrängnis bringen könnte und was Ihnen nicht gefällt, blenden Sie einfach aus, Sie sortieren die Homos nach Ihren Regeln, die guten ins Töpfchen, die schlechten sonst wohin. Wenn Sie sich jetzt einen Homo schnitzen könnten, nur mal angenommen, oder backen oder bestellen aus dem Versandhauskatalog, wie … – ach was, ganz ehrlich, Sie würden weder schnitzen noch backen noch irgendeine Bestellung aufgeben, Sie wollen gar kein „Aufhebens“, Sie wollen keinen Homo, nicht jetzt und überhaupt nicht in Ihrer Welt.