Will Quadflieg ist tot : Ende einer Ära
Großer Rezitator
Er hat bis fast zuletzt auf der Bühne gestanden und vor einem halben Jahr eigentlich noch einen Lesungs-Abend geplant: Will Quadflieg, langjähriges Mitglied des Hamburger Thalia-Ensembles, ist, wie gestern bekannt wurde, bereits am 27. November mit 90 Jahren gestorben. In Tschechows Drei Schwestern hat er dort zuletzt vor einem Jahr gespielt. „Er war einer der Letzten derer, die fast ausschließlich durch Bühnenpräsenz bekannt wurden, und mir persönlich wird er fehlen“, so Thalia-Geschäftsführer Ludwig von Otting.
Unter Heinrich Georges Ägide am Berliner Schiller-Theater war Quadflieg in den dreißiger Jahren berühmt geworden, und obwohl er sich in der Nazi-Ära anpasste und weiterspielte, bereute er dies später und sagte, das Unrecht werde sein Schweigen „nie wieder bekommen“.
Besonderer Höhepunkt seiner Karriere war 1960 die Rolle des Faust I in Gustav Gründgens‘ Inszenierung. Und nachdem sein klassischer Stil in den siebziger Jahren vorübergehend weniger gefragt gewesen war, fing er, immer wandlungs- und lernwillig, 1983 am Thalia Theater an, wo er seine Theaterpräsenz immer durch Lesungen ergänzte. Von Otting: „Quadflieg hatte an die 20.000 Verse im Kopf und konnte das gesamte lyrische Werk von Goethe, Schiller und Rilke rezitieren. Und er war ein Mensch, den sein Ruhm nie zu Allüren verleitet hat.“ Offiziellen Abschied nimmt das Thalia in einer Gedenkstunde am 18. Januar 2004 um 12 Uhr. PS