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Archiv-Artikel

„Kern der Umsteuerung nicht begriffen“

GAL-Politikerin Sabine Steffen kritisiert Jugendhilfepolitik des Senats. Statt mit neuen Projekten eine dritte Säule zu schaffen, müssten Kinder- und Jugendtreffs in der Fläche besser ausgestattet werden. Morgen Fachtagung zum Thema

Fragen: KAIJA KUTTER

taz: Die GAL lädt für morgen zu einer Fachtagung „Jugendhilfe auf dem Irrweg“ ein. Gemeint ist hier die von Sozialsenatorin Birgit Schnieber-Jastram (CDU) eingeleitete Umsteuerung von den „Hilfen zur Erziehung“ (HZE) in präventive Hilfen, die verhindern helfen sollen, dass sich familiäre Krisen überhaupt erst zuspitzen. Dies war doch ursprünglich eine Idee von Rot-Grün.

Sabine Steffen: Das ist richtig. Die eigentliche Diskussion zur Umsteuerung wurde von uns in der vergangenen Legislatur geführt. Wir haben die Modellprojekte initiiert, die inzwischen auch evaluiert wurden. Dort ist es schon gelungen, zu verhindern, dass Familien ein „HZE-Fall“ mit Akte werden, was ja auch eine stigmatisierende Wirkung hat und eine sehr teure Hilfe ist. Diese Projekte wurden jedoch mit Geld finanziert, das zuvor in den Bezirken durch eine Minderausgabe bei HZE erwirtschaftet wurde. Die Sozialsenatorin ist nun hingegangen und hat für 2003 von vornherein vier Millionen Euro von den Ambulanten Erziehungshilfen abgezogen. Wenn es nun auch bei HZE ein Loch von acht Millionen Euro gibt, ist das zur Hälfte hausgemacht.

Was hätte die GAL denn anders gemacht?

Wir wollten den neuen Arbeitsansatz, der in diesen Projekten exemplarisch erprobt wurde, in der Fläche auf die bestehende Infrastruktur übertragen. Dafür wäre es nötig, die Standards in der offenen Kinder- und Jugendarbeit, zum Beispiel den Jugendclubs, zu vereinheitlichen und zu verbessern und klare Ziele zu formulieren. Ich komme selber aus diesem Bereich. Wenn man dort nur zu zweit arbeitet, ist es nicht möglich sich mit einzelnen Kindern tiefergehend zu beschäftigen. Auch arbeiten dort überwiegend Erzieher und wenig Sozialpädagogen. Dieser Bereich müsste gestärkt werden.

Wie hätten Sie das finanziert?

Wir würden weiter mit dem Prinzip der Bonusmittel arbeiten. Die Bezirke durften ja die Hälfte von dem bei HZE Ersparten behalten. Wandsbek hatte zum Beispiel in einem Jahr eine Million Euro übrig gehabt. Damit kann man in der offenen Arbeit schon viel erreichen.

Und wieso die jetzige Umsteuerung nun ein Irrweg?

Statt die offene Jugendarbeit zu stärken, werden in den Bezirken je zwei neue Projekte ins Leben gerufen. Es ist Unsinn, hier eine Parallelstruktur zu etablieren. Mit diesen Projekten, die eine Art HZE-“light“ darstellen, wird eine dritte Säule aufgebaut, die neben der offenen Arbeit und HZE existieren soll. Hinzu kommt nun, dass diese Projekte erst im November und Dezember ihre Arbeit aufnahmen. Das übrige Geld wird verwendet, um das Minus wieder abzudecken. Eine Umsteuerung hat in 2003 also kaum stattgefunden.

In der Kritik bei HZE war auch stets die Einzelabrechnung über die so genannte Fachleistungsstunde. Dies führt dazu, dass es dem einzelnen Klienten erst schlecht gehen muss, damit die Träger auf ihre Kosten kommen. Die Senatorin will diese Abrechnung durch regionale Versorgungsverträge ersetzen. Ein mutiger Schritt?

Die Fachleistungsstunde war kein Gewinn. Es war auch unser Ziel, sie abzuschaffen. Die Frage ist nur, wie setzt die Regierung die Versorgungsverträge um. Hier besteht die Gefahr, dass große Träger und Verbände die kleinen verdrängen. Das ist ein Problem, das noch nicht gelöst ist.

Wozu nun die Tagung?

Wir haben das Thema vier Jahre lang vorangebracht und in der Fachwelt verankert. Nun wollen wir sehen, wie die CDU/FDP/Schill-Koalition die letzten zwei Jahre genutzt hat. Ich befürchte, dass sie den Kern der Umsteuerung nicht begriffen haben, weil sie nicht in die Fläche gehen.