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Kein Mekka der Toleranz

In Harburg wird der Bau eines islamischen Gotteshauses blockiert. Behörden haben Baustopp verhängt. CDU wittert Fundamentalismus. Islamische Gemeinden sprechen von „Kriminalisierung“ der Muslime

von EVA WEIKERT

„Wir werden kriminalisiert und in Hinterhöfe und Garagen zurückgedrängt.“ Mustafa Yoldas ist wütend. Anlass für die Empörung des Sprechers des Bündnisses der Islamischen Gemeinden in Norddeutschland (BIG) ist eine in letzter Minute verhinderte Baugenehmigung. Harburger Politiker wittern Verfassungsfeindlichkeit beim BIG und blockieren darum den Einzug einer Mitgliedergemeinde in ein neues Gotteshaus im Zentrum Neugrabens. Jetzt sind die Gläubigen ohne Obdach. Yoldas warnt: „Notfalls gehen wir vor Gericht.“

Gegenstand des Streits, der bald den Senat beschäftigen dürfte, ist ein 137-Quadratmeter großes Haus an der Cuxhavener Straße. Weil den 42 Migliedern der islamischen Gemeinde Neugraben ihre Moschee an der Neuwiedenthaler Straße zu eng geworden ist, hat das BIG das Haus gekauft. „Alles verlief ordungsgemäß“, sagt Architekt Joachim Reinig. Der Umbau ist „genehmigungsfähig“, habe das Bauamt mitgeteilt. „Wir wollten bis zum Ramadanfest fertig sein“, berichtet BIG-Sprecher Yoldas. Doch am 14. November verhängten die Behörden einen Baustopp und das Fest fiel aus.

Verantwortlich dafür ist der Kreisvorsitzende der CDU Harburg Ralf-Dieter Fischer. Auf seine Initiative beschlossen der Ortsausschuss Süderelbe und dann die Bezirksversammlung Harburg einen Antrag an die Verwaltung, den Bauantrag der Muslime abzulehnen. Fischer findet das Gebäude nahe der Neugrabener Einkaufszeile für die kleine Gemeinde zu groß. „Der Bedarf für die Moschee ist nicht da.“ Viel schwerer wiege jedoch eine Warnung des Verfassungsschutzes. Der vermutet, das BIG strebe eine weltweite Islamisierung an und konstatiert eine Nähe zur fundamentalistischen Bewegung Milli Görus. Fischers Fazit: „Die wollen hier missionieren.“

Diesen Vorwurf lassen die Muslime nicht gelten. „Wir bekennen uns ausdrücklich zum demokratischen Pluralismus“, erklärt BIG-Vizechef Ahmet Yazici. Die Behauptung, in Neugraben gäbe es keinen Bedarf für die Moschee, sei „absurd“. Ein Großteil der Hamburger Muslime lebe südlich der Elbe. In Neuwiedenthal und Neugraben gebe es derzeit gar kein islamisches Gotteshaus. Den Vorwurf, mit Islamisten zu kooperieren, findet Yazici „widersprüchlich“. So habe Bürgermeister Ole von Beust (CDU) Verträge mit dem Istanbuler Bürgermeister geschlossen, der Milli Görus entstamme. „Wir ziehen nur um, die Überfremdungsangst ist unbegründet.“

Das sehen die Christen der benachbarten Thomas-Gemeinde genauso. Sie kennen das BIG seit über zehn Jahren. Pastorin Susanne Lindenlaub geißelt die Blockade des Umbaus: „Freie Religionsausübung ist ein Grundrecht.“ Noch können die Muslime hoffen, dieses Recht zu bekommen. Denn Bezirksamtsleiter Bernhard Hellriegel (SPD) hat den Beschluss der Bezirksversammlung beanstandet. Aus rechtlichen Gründen sei eine Genehmigung zu erteilen. „Wenn wir die Pattsituation nicht selbst lösen“, so Baudezernent Peter Koch, „ist der Senat gefragt.“

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