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Archiv-Artikel

Verschämte Eruptionen

Dunkelheit als Abstraktum: Marc Volks Fotos posieren unter dem Titel „Ränder/Rauschen“ im Museum für Kunst und Gewerbe

von Petra Schellen

Wie klingen eigentlich Körner, wenn sie fallen? Wenn sie sich gar weigern, Licht aufzunehmen, wenn sie sich penetrant für „Dunkel“ anstatt für „Hell“ entscheiden? Und erwächst ein spezifischer Erkenntnisgewinn aus der Betrachtung der sanft gekörnten Bilder, die der in Berlin ansässige Fotograf Marc Volk erschafft?

An Mark Rothko, ins Foto übersetzt, erinnern einige seiner Fotos der aktuellen Schau im Museum für Kunst und Gewerbe, dessen Reihe „Forum Fotografie“ regelmäßig Nachwuchskünstler vorstellt. Die stetige Entwicklung vom Weiß zum Schwarz zeigt eine der Serien; den unbelichteten Film hat Volk hierfür vergrößert und das Papier jeweils doppelt so lange belichtet wie auf dem vorhergehenden Bild. Meditative Korn- oder Kieselfelder sind so entstanden, die den Betrachter nie in die völlige Finsternis entlassen: Ein Rest von Struktur bleibt immer – kleiner Verweis auf den Pointillismus bzw. auf die Tatsache, dass die Welt letztlich aus Atomen besteht.

Doch so weit will sich der Fotograf gar nicht ins Philosophische vorwagen. Wohl schätzt der 1967 in Stuttgart geborene Künstler die Systemtheorie und fragt sich, wie viel Welt man braucht, um Assoziationen zu bilden. Was glaubt man zum Beispiel in den belichteten Film-Enden, Emulsionsverletzungen und Klammerungen zu erkennen, die er ins Zentrum rückt? Das Spiel der Farben hat er dabei in Szene gesetzt, jenes sich an den Rändern abspielende, fast verschämte Eruptions-Theater, das normalerweise verborgen bleibt: Unten schwarz, mittig orange, dann immer gelber wird das Farbgetümmel – gern darf man darin eine Landschaft sehen. Selbstverständlich ist das Ganze auch in Türkis zu haben – nur, dass hier das Licht durch eine saubere Linie vom Dunkel getrennt ist. Wo also liegen Beginn und Ende des Lichts? Und wohin ist es geflohen, das Türkis, das sich wie auf einem chinesischen Landschaftsgemälde im prismatischen Weiß verliert? Ist es etwa ins Dunkel geschwunden wie auf jenen Film-Enden, deren Markierungen, bar jeden Kontexts, rein gar nichts besagen? Oder sind solche Fragmente gar einer anderen Dimension entsprungen; sind es Chiffren, die in Wirklichkeit Ungeheures vermitteln, gelänge einem nur die Decodierung?

Eine Reise ins Dunkel erlauben diese Bilder, die letztlich mehr verbergen als enthüllen; unklar bleibt, wo sich all dies bewegt im unendlichen Raum. Eine Frage, auf die einige der Volk‘schen Bilder eine scheinbar klare Antwort geben: Scheinwerferlicht ist es, das von der Decke herabstrahlt, verschiedene Spektralfarben fallen durch die Perforationslöcher; gleich kann das Konzert der Dunkelheit beginnen. Oder nicht?

Einen Kosmos im Kosmos entwickelt der Fotograf hier, dechiffriert und codiert gleich neu, ohne den Betrachter zu bevormunden. Das Material selbst wird so zum Thema, die Präsentation des Ungesehenen, der Prozess des Enwickelns – ja, wessen eigentlich? Des Lichts, allen Anbeginns, letzlich des gesamten Universums? Das wiederum hier im Nano-Format beispielhaft präsentiert wird anhand des angeblich einzig authentischen Mediums – des Films?

Ganz und gar eigenartig, das alles – besonders, wenn man bedenkt, dass die analoge Fotografie ein rasant aussterbendes Medium ist.

Di–So 10–18, Do bis 21 Uhr, Museum für Kunst und Gewerbe; bis 27.3.2005