: Öffentliche Kontrolle statt Selbstregulierung
FINANZAUFSICHT Das EU-Parlament verabschiedet Regeln für Ratingagenturen: Wer die Kreditwürdigkeit von Unternehmen und Staaten bewerten will, muss künftig offenlegen, wie er zu seinem Urteil kommt
BRÜSSEL taz | In einem Blitzverfahren hat das EU-Parlament am Donnerstag strengere Regeln für Ratingagenturen beschlossen. Diese müssen künftig die Kriterien und grundlegenden Annahmen offenlegen, auf die sie ihre Bewertung stützen. Außerdem werden sie verpflichtet, interne Kontrollstellen einzurichten und jährlich einen Transparenzbericht vorzulegen. Mindestens drei Aufsichtsratsmitglieder müssen gewinnunabhängig honoriert werden. Bis Juli 2010 soll die EU-Kommission Vorschläge machen, wie sie die Kontrolle weiter verbessern will.
Ratingagenturen, die die Kreditwürdigkeit von Unternehmen und Staaten bewerten, werden für die Finanzkrise mit verantwortlich gemacht. Ihr Urteil steuert das Verhalten der Investoren an den Finanzmärkten. Der Markt wird von drei US-Instituten beherrscht. Ihnen wird vorgeworfen, die Anleger zu spät vor den Risiken auf dem Hypothekenmarkt gewarnt zu haben.
Mitte November hatte die EU-Kommission eine Verordnung vorgeschlagen, die die Arbeit der Agenturen für die Aufsichtsbehörden und die Investoren transparenter machen soll. Rat, Parlament und Kommission einigten sich in Rekordzeit, um das Gesetz noch vor der Europawahl verabschieden zu können.
Der Einfluss der Agenturen ist unverändert groß. So sorgte die Bonitätsbewertung von Standard & Poor’s im Januar dafür, dass Spaniens Kreditwürdigkeit heruntergestuft wurde. Daraufhin gingen sofort die Zinsen für Staatskredite in die Höhe.
Auch das Risiko und die Kreditwürdigkeit von Versicherungen wird von Ratingagenturen bewertet. Um diese Unternehmen weniger krisenanfällig zu machen, hat das Europäische Parlament am Mittwoch eine Richtlinie verabschiedet, die für riskante Kapitalanlagen eine höhere Absicherung durch Eigenkapital verlangt. Das sogenannte Solvency II soll Versicherungsunternehmen von riskanten Investitionen abhalten.
Die EU-Kommission hatte in ihrem ursprünglichen Entwurf eine grenzüberschreitende Versicherungsaufsicht gefordert. Das hätte bedeutet, dass die Aufsichtsbehörde im Staat der Muttergesellschaft des Unternehmens künftig auch die Tochtergesellschaften in anderen EU-Staaten kontrolliert hätte. Dem widersetzten sich aber EU-Abgeordnete aus Staaten, in denen es keine großen Versicherungskonzerne gibt. Sie wollten die nationale Kontrolle über die Tochterunternehmen nicht abgeben.
Ein drittes Gesetz, in dem die Eigenkapitalvorschriften für Banken neu geregelt werden, wurde auf die Maisitzung verschoben. Während die Regierungen es ausreichend finden, wenn 5 Prozent der ausgegebenen Bankkredite durch Eigenkapital gedeckt sind, verlangen die Konservativen 10 Prozent, die Sozialisten 15 Prozent Eigenkapitaldeckung. Falls bis zur Sommerpause keine Einigung zwischen Rat und Parlament zustande kommt, wird sich im Herbst das neu gewählte Parlament erneut damit befassen müssen. DANIELA WEINGÄRTNER