Schöngeredete Integration

Die Sprachfrühförderung für Migrantenkinder ist eine der zentralen integrationspolitischen Initiativen der rot-grünen Landesregierung. Doch Kritiker bezeichnen das Förderprogramm als unzureichend

VON ULLA JASPER

Die seit Wochen andauernde Diskussion um die Integration ausländischer MitbürgerInnen hat nun auch den nordrhein-westfälischen Landtag erreicht. Während sich die rot-grüne Landesregierung in der gestrigen aktuellen Stunde ihrer Erfolge bei der Integration ausländischer Kinder rühmte, hält sich die Euphorie an der grünen Basis stark in Grenzen.

Zwar seien die schulvorbereitenden Kurse für Migrantenkinder mit mangelhaften Deutschkenntnissen „vermutlich eine der wirksamsten Maßnahmen, die von der rot-grünen Landesregierung auf den Weg gebracht wurden“, sagt Roger Peltzer vom grünen Kreisverband Erftkreis. Doch leide die Durchführung der Kurse ganz erheblich unter der „ungeheuren bürokratischen Schlamperei“ der zuständigen Landschaftsverbände, die die Kurse im Auftrag der Landesregierung durchführen: So seien die PädagogInnen im vergangenen Jahr „sage und schreibe zwei Tage vor Kursbeginn davon unterrichtet worden, dass es nun losgeht“, so Peltzer.

Die Kurse, die seit 2002 von der Landesregierung gefördert werden, umfassen in der Regel 120 Unterrichtsstunden. In einem Zeitraum von rund sechs Monaten sollen überwiegend ausländische, aber auch deutsche Kinder mit Sprachdefiziten, auf ihren Einstieg in die Grundschule vorbereitet werden. Doch Peltzer kritisiert, dass das Zeitkorsett des Unterrichts zu eng sei: „Das Kontingent von 120 Stunden ist bis zu den Sommerferien nur mit Mühe und nur bei drei Terminen pro Woche unterzubringen.“ Zudem fehlten einheitliche Unterrichtsstandards sowie spezifische Lehrmaterialien für die PädagogInnen. „Bisher arbeiten alle ohne Vorgaben mit selbstgestricktem Lehrmaterial“, sagt Peltzer.

Zustimmung erhält der Grünen-Politiker von der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW). Zwar sei das von der Landesregierung aufgelegte Programm „extrem wichtig“, doch reiche die Sprachfrühförderung nicht aus, um die sprachlichen Mängel vieler Kinder mit Migrationshintergrund zu bewältigen, so Ilse Führer-Lehner vom GEW-Landesverband in Essen. Zudem seien zur Finanzierung des Frühförderungsprogramms die Mittel für die Sprachförderung in den Grundschulen reduziert worden. Die sechsmonatige Förderung sei jedoch zu wenig: „Viele Kinder bräuchten eigentlich eine Förderung mindestens bis zur Sekundarstufe I“, so Führer-Lehner. Außerdem sei das Programm bisher nicht flächendeckend etabliert, weil dazu die vom Land bereit gestellten Gelder nicht ausreichten, kritisiert die GEW.

Das Düsseldorfer Schulministerium weist die Kritik zurück. Die von der Landesregierung bewilligten Mittel seien von zwei Millionen Euro im Jahr 2002 auf 7,5 Millionen Euro in diesem Jahr gestiegen, erklärt Ministeriumssprecherin Stephanie Paeleke. Mehr als ein halbes Jahr vor der Einschulung würden die Sprachfähigkeiten eines jeden Kindes getestet. Für Kinder, die dabei Defizite aufwiesen, sei dann ein Sprachkurs verpflichtend. „Ein flächendeckendes Angebot ist gewährleistet“, sagt Paeleke. Und im Vergleich mit den anderen Bundesländern liege NRW in Sachen Sprachfrühförderung „sehr weit vorne“.

Auch Sylvia Löhrmann, Fraktionsvorsitzende und bildungspolitische Sprecherin der Grünen im Landtag, widerspricht den Kritikern: „Das Programm hat einen massiven Zuwachs zu verzeichnen. Allein in diesem Jahr erreichen wir mehr als 40.000 Kinder.“ Die Frühförderung sei eine ganz wichtige Antwort auf die Ergebnisse der Pisa-Studie und spiele auch eine zentrale Rolle in der aktuellen Debatte um die Integration von Ausländern. Doch auch Löhrmann räumt ein, dass die Umsetzung weiterhin Probleme bereitet: „Es gibt Regionen, wo das Programm noch nicht so gut läuft.“