Glatter Abend, rauher Hintergrund

Aus einer anderen Zeit: Helmut Baumann inszeniert Henry Mancinis „Viktor/Victoria“ am Bremer Theater

Für den Intendanten des Bremer Theaters, Klaus Pierwoß, ist das Musical an seinem Haus inzwischen so etwas wie eine fünfte Sparte: 1999 hat er den Regisseur und Schauspieler Helmut Baumann von Berlin nach Bremen geholt, seinerzeit noch, um einen Gegenentwurf zum privatwirtschaftlich betriebenen Bremer Musical anzubieten. Seither hat Baumann mit großem Zuschauerzuspruch diverse Musical-Klassiker inszeniert – Baumann steht für Opulenz, hebt sich aber vom event-orientierten High-Tech-Musical durch Gespür für virtuos genutzte Kunstgriffe des Theaters ab.

Bei Henry Mancinis Victor/Victoria, das jetzt Premiere hatte, glitzert also erst mal das nächtliche Paris durch einen Gaze-Vorhang, und Gaststar Helen Schneider schafft es, als arbeitslose Sopranistin Victoria Glas zu zersingen. Danach verkleidet sich Victoria auf Rat des homosexuellen Toddy (Helmut Baumann) als Mann, nennt sich Victor, gibt vor, schwul zu sein und macht als „Europas größter Frauendarsteller“ Karriere.

Der Einzige, der Victorias Verkleidung instinktiv spürt, ist der leicht homophobe Macho King Marchan (Hardy Rudolz). Er verliebt sich in Victoria, womit auch schon die Pointe erreicht ist: Egal, ob Victoria Mann oder Frau ist – wenn die Gefühle stimmen, ist alles gut. Bei der ersten Verfilmung des Stoffs 1933 mag diese Botschaft revolutionär gewesen sein. Heutzutage bleibt es die Geschichte aus einer anderen Zeit. Was Baumann aber nicht davon abhält, den Abend mit diversen Nebensträngen und Tanzeinlagen anzureichern. Die Dramaturgie aber hat er im Griff, und Helen Schneider fügt sich perfekt in das Ensemble ein.

Ein glatter Abend, wäre da nicht der rauhe kulturpolitische Hintergrund: Das Bremer Theater wird in der kommenden Spielzeit das Baumann-Musical einsparen müssen, da das Haus seinen Etat bis zum Ende dieser Spielzeit um rund 500.000 Euro überzogen haben wird. Intendant Pierwoß spricht von einem „einmaligen Aussetzen“ und betont, dass die Überziehung nicht dem Musical anzulasten sei. kli

nächste Vorstellungen: 27.11. und 3.12., jeweils 19.30 Uhr, Bremer Theater