: „Gefragt sind radikale Schritte“
Experten debattieren in Neukölln über Integrationspolitik. Rabbiner Nachama: Religionsunterricht verzichtbar
Die Integration von Zuwanderern entzweit in Bezirke und Senat. In den letzten 25 Jahren habe die Stadt „überhaupt keine Integrationspolitik betrieben“, sagte der Neuköllner Bezirksbürgermeister Heinz Buschkowsky (SPD) am Dienstagabend auf einer Podiumsdiskussion der Evangelischen Akademie.
Für die nahezu ausnahmslos erwerbslosen Migranteneltern seien Kinderbetreuung und Schulessen unbezahlbar. Das führe zum „Rückzug in die eigene Ethnie“ und begünstige Parallelgesellschaften, klagte Buschkowsky. In nicht wenigen Straßenzügen seines Bezirks hätten deutsche Bewohner bereits „mit dem Umzugswagen“ abgestimmt. „Multikulti findet nicht statt“, sagte Buschkowsky, „der Araber geht nicht zum Türken.“
Das Land habe mit dem Quartiermanagement in den Problemvierteln erfolgreich Nachbarschaften entwickelt, entgegnete der Integrationsbeauftragte des Senats, Günter Piening. Anstatt vom Land Veränderungen zu fordern, müssten auch die Bezirke Konzepte entwickeln, um der Isolation von Migranten abzuhelfen. Piening warnte aber vor einer Überbewertung des Islam bei Integrationsproblemen. Dessen Rolle werde „stark überschätzt“. In Berlin spiele der Niedergang der Industrie nach der Wiedervereinigung eine viel wichtigere Rolle. Dies habe zu 40 Prozent Arbeitslosigkeit unter Migranten geführt.
Auch über Konzepte für Religionsunterricht an Schulen wurde debattiert. Der rechtliche Rahmen dafür sei in Berlin „absolut untauglich“, kritisierte der Ausländerbeauftragte der Evangelischen Landeskirche, Hanns Thomä, die Bildungspolitik. Statt „religiöse Funktionäre“ in schuleigenen Räumen unterrichten zu lassen, sollte Religion in eine Fächerkombination eingebunden werden.
Der Rabbiner Andreas Nachama hält Religionsunterricht dagegen für verzichtbar. Migranten „den letzten Fluchtpunkt zu nehmen, indem man Religion in der Schule benotet“, sei nicht sinnvoll. Um die Integrationschancen der Muslime zu verbessern, müssten „Sozial- und Bildungsprogramme aufgelegt werden, und zwar nicht nur für die, die in die erste Klasse kommen, sondern auch für 30-Jährige“. Gefragt seien auch „radikale Schritte“ wie etwa das Unterrichten von ausländischen Grundschülern in ihrer Herkunftssprache.
Der Vizepräsident der umstrittenen Islamischen Föderation, Werner Schülzke, kritisierte ebenfalls den Kurs der Bildungsverwaltung. Wenn der Senat islamischen Religionsunterricht durch den angekündigten Werteunterricht als Pflichtfach ersetze, „werden wir wieder die Koranschule machen müssen“. Die Föderation ist an den Berliner Schulen der größte Anbieter von islamischem Bekenntnisunterricht. EPD, KNA