: Digital-Radio ade?
Zu schlecht, zu teuer: Die Übertragungstechnik DAB steht vor dem Aus – jedenfalls nach dem Willen der Medienanstalt Berlin-Brandenburg
VON JÜRGEN BISCHOFF
Das wird Hans Hege, dem Direktor der Berlin-Brandenburger Medienanstalt (MABB), nicht viele Freunde verschaffen. Blaupunkt, die Baden-Württemberger und die Bayrische Landesmedienanstalt werden aufheulen vor Wut. Der Medienrat der MABB, das Aufsichtsgremium der staatlichen Anstalt, hat in dieser Woche der Öffentlichkeit den Vorschlag unterbreitet, „den bisherigen Ansatz von DAB für digitales Radio aufzugeben“.
Damit ist nun endlich auf dem Tisch, was alle Beteiligten schon seit Jahren quält: Das Übertragungsverfahren für Digitalradio DAB (vom englischen „Digital Audio Broadcasting“) ist gescheitert. Der Markt stagniert auf unterirdischem Niveau. Diejenigen, die sich überhaupt ein DAB-Gerät geleistet haben, stellen fest, dass Digitalradio innerhalb von Gebäuden viel schlechter funktioniert als die althergebrachte analoge UKW-Technik.
Was die MABB mit dem Papier gemacht hat, ist das Lostreten einer Lawine. Das bisherige Schweigen und vorsichtige Lavieren in Sachen DAB hatte immer etwas mit der Angst zu tun, dass ein DAB-Ausstieg in Deutschland auch auf andere europäische Länder ausstrahlen wird und die Technologie – trotz der aufkeimenden Markterfolge in Großbritannien – endgültig zum Scheitern bringt. Jetzt ist es so weit.
In einer sechsseitigen Analyse, die die MABB in dieser Woche im Anhang zu einer Presseerklärung veröffentlichte, sind die Schwachstellen des Systems herausgestellt worden, die von Seiten der Beteiligten noch nie in solcher Deutlichkeit benannt worden sind. Neben der Empfangsschwäche in Gebäuden bemängelt die MABB, dass die Technologie „primär für den Autoradioempfang entwickelt worden ist“, während die jungen Zielgruppen des Radios wohl kaum zu denjenigen Kunden gehören, die sich als Erstes ein extrem teures Autoradio für die moderne Technologie kaufen werden. Damit entfalle gerade für die private Radiowirtschaft der Anreiz, ihre Zielgruppen auf dem digitalen Weg zu erreichen. DAB sei eine Technologie der Achtzigerjahre, die zum einen das damals bekannte Audiocodierungsrate Musicam (auch bekannt unter MPEG2) festschrieb. Längst gibt es fortgeschrittenere Verfahren, die drei- bis viermal so viel Radioangebote im gleichen Kanal ermöglichen könnten.
Auf der anderen Seite bemängelt die MABB politische Vorgaben aus den 80er-Jahren für DAB: „Im Vordergrund des Ausbaues standen nicht Interessen des Verbrauchers, der schließlich die Geräte bezahlen muss, sondern die Abbildung der analogen Welt und die Erhaltung der Strukturen.“ So ist es bis heute nicht oder nur unter großen Schwierigkeiten möglich, eine terrestrische Radiokette für ganz Deutschland zu lizenzieren, die interessante Spartenangebote macht, wie etwa einen Sport- oder einen Kinderkanal.
Schon seit einigen Jahren steht DAB in der Kritik auch bei den Rechnungshöfen. Mehrere dieser Landesbehörden bemängelten in ihren Jahresberichten die Subventionen für die Digitalradiotechnologie sowohl an die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten als auch an private Radiobetreiber. Insgesamt ist ein hoher dreistelliger Eurobetrag in den letzten acht Jahren über die Rundfunkgebühren in die Technologie geflossen.
Die MABB fordert nun, konkret über alternative Technologien zu sprechen, von DVB-H – einem Verfahren, das Rundfunkinhalte über das digitale terrestrische Fernsehnetz auf Kleinstgeräte überträgt und gerade in Berlin getestet wird – bis hin zu DMB (Digital Multimedia Broadcasting), das zahlreiche Elemente von DAB flexibel für eine fortgeschrittene Radio- und TV-Übertragung nutzt.
Bis zur Funkausstellung im kommenden Jahr will die MABB die Diskussion um eine neue Konzeption des Digitalradios vorantreiben. Ab 2007 erhoffen sich Hans Hege und seine Aufsichtsräte schon die Einführungsphase für neue Geräte.