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Archiv-Artikel

Gesetz gegen die Gerste

Nach dem Rauchen soll in Russland nun auch noch das öffentliche Biertrinken verboten werden – zu ungesund

Die Russen dürfen sich auch weiter ihre Gesundheit ruinieren – aber bitte nur im stillen Kämmerlein. Unlängst verabschiedete die Duma ein Gesetz, das Rauchen am Arbeitsplatz, in öffentlichen Verkehrsmitteln und staatlichen Einrichtungen verbietet. Schließlich versuche die ganze zivilisierte Welt, sich vom Nikotin zu befreien: „Wir kümmern uns um unsere junge Generation“, so ein Sprecher der Duma.

Diese „reife Entscheidung“ müssen nun nur noch die Mitglieder des Föderationsrates abnicken – doch daran könnte sie ihre eigene Sucht hindern. Denn unlängst hat das Oberhaus eine weitere pädagogische Maßnahme der Duma vereitelt, die das öffentliche Biertrinken verbieten wollte.

Die Bevölkerung reagierte gelassen auf den Erlass zur „Volksgesundheit“. Denn in Russland, das wissen alle, werden Gesetze gemacht, um sie zu umgehen. Dafür mangelt es nicht an Ideen. „Man kann einfach Plastiktüten benutzen, um die Bierflasche zu tarnen, wie das in Amerika gemacht wird“, sagt eine Moskauer Studentin. Doch so weit ist es noch nicht: Das Gesetz parkt im Vermittlungsausschuss.

Das Engagement der Duma erinnert stark an den vergeblichen Kampf, den der letzte sowjetische Präsident Michail Gorbatschow gegen den Alkoholismus ausfocht. Damals konterte die Bevölkerung die Rationierung von Wodka, indem sie heimlich Selbstgebrannten herstellte. Das war zwar strafbar, konnte viele Russen aber nicht von einer vorzeitigen Reise ins Jenseits abhalten.

Obgleich das Bierverbot noch nicht in Kraft ist, kassieren russische Milizionäre schon jetzt vielerorts bei öffentlichen Biertrinkern umgerechnet rund 12 Euro ab – das Fünffache der vom kommenden Gesetz vorgesehenen Strafe.

Doch nicht nur etwas zurückhaltendere Ordnungshüter dürften angesichts des gesetzlichen Tauziehens stöhnen. Russische Bierbrauer registrieren derzeit einen Rekordrückgang des Bierverkaufs – im Oktober 18 Prozent weniger als im Vormonat.

Der Chef der Vereinigung der Bierbrauer, Wyatscheslaw Mamontow, vermutet, dass nicht nur das Gerangel um das neue Gesetz, sondern auch die beschränkten Werbemöglichkeiten zum negativen Image des mittlerweile äußerst beliebten alkoholischen Getränks beitragen. Warb bis vor kurzem noch ein Bär für den Gerstensaft, so muss ab Beginn des kommenden Jahres auf den Einsatz von Mensch und Tier verzichtet werden. Aber da werden sich die Experten schon etwas einfallen lassen.

MARINA SINALEEVA