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Archiv-Artikel

Gefühl und Verstand

Im Workshop „Lebendig Präsentieren“ sollen die Teilnehmenden lernen, wie man einen überzeugenden persönlichen Auftritt hinlegt – mit Methoden aus dem Improvisationstheater

von SARAH KALAGI

Julia Kaspras* ist sichtlich nervös. Einen Plüsch-Teddy soll die 33-Jährige als neues Produkt verkaufen. Als Glücksbringer, Tröster und Begleiter preist sie das Stofftier an, verhaspelt sich und gerät ins Schwimmen. Aber jeder in der Gruppe kriegt hier aufmunternden Applaus. Denn jeder weiß, dass er auch gleich vorne steht und fremden Menschen ein Produkt präsentieren muss – akribisch beobachtet von der Videokamera, die die Verkaufsstrategie aufzeichnet.

Das gehört zur ersten Disziplin im Wochenendworkshop „Lebendig Präsentieren“. Die Videoaufzeichnung schauen sich die sechs Teilnehmer in 24 Stunden wieder an. Bis dahin will Trainer Dieter Langlo ihnen beibringen, wie man einen überzeugenden persönlichen Auftritt hinlegt.

Sachliche Vorträge zu halten sind die meisten in ihrem Beruf gewöhnt. Aber „eine gute Vorbereitung und fachliches Wissen ist keine Garantie für einen gelungenen Vortrag“, stellt Rüdiger Schrader* fest. Der 35-jährige Physiker arbeitet für eine Biotechnologiefirma und will seinen Kunden die naturgemäß eher trockenen Fakten nicht auch noch trocken vermitteln. Dass ein überzeugender persönlicher Auftritt entscheidend dafür ist, dass der Vortrag nicht zur gähnend-langweiligen Powerpoint-Präsentation verkommt, weiß jeder hier. Aber wie kann man das gewisse Etwas lernen, wenn man nicht gerade ein Naturtalent ist?

„Der Schlüssel liegt darin, sich emotional in den Vortrag einzubringen und Spaß am spielerischen Ausdruck zu entwicklen“, sagt Dieter Langlo. „Wird eine Präsentation emotionslos vorgetragen, langweilt sich der Zuhörer.“ Der ausgebildete Theaterpädagoge muss es wissen. Als Comedian steht er mit einer eigenen Formation als Clown auf der Bühne. „Der Clownspieler muss mit Mängeln überzeugen, er lädt die Menschen dazu ein, über ihn zu lachen“, erklärt Langlo. Angewendet auf den Workshop heißt das, die Teilnehmer sollen versuchen, auch Patzer und Peinlichkeiten spielerisch zu meistern. Der vermeintliche Lapsus kann so zu einem sympathischen Merkmal werden, das in Erinnerung bleibt. Jeder soll lernen, sich als Persönlichkeit zu präsentieren.

Nicht nur im Beruf, auch bei der Jobsuche kann das wichtig sein. Julia Kaspras zum Beispiel, eigentlich gelernte Glasbläserin, will als Quereinsteigerin in den Eventbereich und erhofft sich durch den Workshop bessere Chancen bei Vorstellungsgesprächen.

Um die persönliche Ausstrahlung seiner Teilnehmer zu verbessern, wendet Langlo Methoden aus dem Improvisationstheater an. So wird durch die Übung „Die weiße Maske“ die Mimik verdeckt, so dass die Körpersprache im Mittelpunkt steht und trainiert wird. In anderen Lektionen lernen die Teilnehmer das Spiel mit Emotionen, egal ob Wut oder Freude, und wie man gelassen reagiert, wenn das Publikum desinteressiert ist und es erst aus der Reserve gelockt werden muss. „Wenn man selber Spaß an der Präsentation hat, kommt das rüber“, weiß Langlo. „Man muss nicht nur an die Zuhörer, sondern auch an sich denken!“ Zum Aufwärmen gibt‘s Lach-Yoga und Atemübungen.

Am zweiten Tag muss jeder noch mal präsentieren. Auch jetzt läuft die Kamera mit. Langlo gibt Feedback und Tipps: „Man muss versuchen, die geschilderte Situation konkret darzustellen und Bilder in den Köpfen der Zuhörer entstehen zu lassen.“

Julia Kaspras wirft den Teddy in die Gruppe, damit jeder mal fühlen kann. Sie reißt Witze und bezieht das Publikum mit ein. Der direkte Vergleich mit der Videobandaufzeichnung vom Vortag zeigt, dass sie um einiges gelassener agiert. „Ein Unterschied wie Tag und Nacht“, freut sie sich. „Was die Übungen aus einem herausholen können, ist erstaunlich.“ Sie ist überzeugt, dass sie die 340 Euro gut für ihre Zukunft investiert hat. „Ich kann meine Körpersprache jetzt bewusster einsetzen und bin emotional nicht mehr so blockiert.“

* Namen geändert