Frei schwebende Philharmonie

Senat will Pläne für eine Konzerthalle auf dem Kaispeichers A neben der Kehrwiederspitze vorantreiben und verabschiedet sich damit von der Idee eines Media-City-Port. Noch unklar ist jedoch, wie teuer die Stadt der spektakuläre Bau zu stehen kommt

von GERNOT KNÖDLER

Der Senat will auf dem Kaispeicher A eine zeltartige Konzerthalle nach den Plänen des Baseler Architekturbüros Herzog & de Meuron bauen. „Städtebaulich ist die Idee sehr gut“, sagte Bürgermeister Ole von Beust (CDU) gestern. „Deshalb werden wir jetzt die finanzielle Realisierung mit großer Sympathie prüfen.“ Die Pläne der Schweizer werden zwar allenthalben gerühmt, weil sie einen spektakulären Blickfang ähnlich der Oper von Sydney versprechen. Einige Fachleute bezweifeln jedoch, dass sie in den Gesamtplan der Hafencity passen.

Herzog & de Meuron wollen den Speicher-Koloss neben der so genannten Kehrwiederspitze, die eigentlich das Sandtorhöft ist, in ein Parkhaus mit großzügigem Treppenaufgang verwandeln. Darüber soll ein mehrgipfeliges Gebäude mit zwei Konzertsälen (2.200 und 500 Plätze), einem Hotel und 31 luxuriösen Eigentumswohnungen mit Blick gen Westen schweben. Dazwischen läge ein Platz unter blasenförmig ausgeschnittenen Kuppeln mit angedockter Gastronomie. Er wolle „die Stadt neu lancieren von einem bekannten Ort aus“, hatte Jacques Herzog am Donnerstagabend bei einer brechend vollen Veranstaltung im Architekturzentrum gesagt.

Die Philharmonie löst bis auf weiteres die bisherigen, mehrfach aufgeschobenen Pläne für einen Media-City-Port an derselben Stelle ab. Für die Medienstadt mit Studios, Büros, Wohnungen und einer Akademie unter einem Dach hatte der als denkmalschutzwürdig eingestufte Speicher des Architekten Werner Kallmorgen abgerissen werden sollen. An seiner Stelle wäre ein Basis-Gebäude in den Umrissen des Speichers errichtet und von einer gläsernen Hochhauskralle überkragt worden. Das Ende des Multimedia-Hypes, die allgemein schlechte wirtschaftliche Lage und der Projektentwickler Alexander Gérard, der Herzog & de Meuron um einen Entwurf für den Speicher bat, haben diese Pläne Makulatur werden lassen. Am Donnerstagabend hatte Jürgen Böge, der Vizepräsident der Architektenkammer noch einmal davor gewarnt, „das Gesamtkonzept der Hafencity aus den Augen zu verlieren“. Dieses sieht das Zentrum des neuen Stadtteils am Magdeburger Hafen. Er soll das eine Ende eines Spannungsbogens bilden, der über den Domplatz zum Jungfernstieg reicht und zum Zentrum des Lebens in der Hafencity werden. „Ohne die Philharmonie am östlichen Ende des Magdeburger Hafens wird die Entwicklung der östlichen Hafencity unendlich schwer“, sagte Böge.

Ole von Beust sprach gestern von einem anderen Konzept: Ein Stadtteil brauche zwei attraktive Pole, um sich zu beleben. Neben der Philharmonie wäre das weiterhin der Magdeburger Hafen, auf dessen westlicher Kaispitze ein „maritimer Kultur- und Erlebnisbaustein“ abgelegt werden soll, so habe es der Senat jetzt definitiv entschieden. 50 Millionen Euro habe der Senat für das Imax-Kino, das Aquarium und das Science Center zum Thema „Meere der sechste Kontinent“ mittelfristig eingeplant.

Knackpunkt bei der Konzerthalle ist die Finanzierung. Nach Darstellung von Beusts würde die Stadt einem Investor das 38 Millionen Euro schwere Grundstück überlassen. Dieser würde die Philharmonie für 50 bis 55 Millionen Euro auf Rechnung der Stadt bauen und diese Kosten durch den Bau des Hotels und der Wohnungen um 20 Millionen senken. Im besten Fall müsste die Stadt also 68 Millionen Euro ausgeben, im schlechtesten, bei Platzen des Finanzrahmens, 80 bis 90 Millionen.