: Solidarität mit Köpfen ohne Tücher
betr.: „70 Promi-Frauen ziehen sich Kopftuch an“, taz vom 2. 12. 03
Bei der Lektüre dieses Artikels habe ich mich gefragt, wo eigentlich die Solidarität mit den Muslimas bleibt, die das Kopftuch nicht tragen wollen. Wenn das Kopftuch staatlicherweise akzeptiert ist, werden sie noch stärker unter Druck geraten nach dem Motto: „Selbst der ungläubige Staat erkennt das Kopftuch an, nur ihr unreinen Frauen nicht!“
Das Kopftuch bedeutet, dass Frauen nicht in die Öffentlichkeit, sondern ins Haus gehören. Wenn es sich aber nicht vermeiden lässt, dass sie sich außerhalb des Hauses bewegen, dann sollen sie wenigstens möglichst unsichtbar sein, um die Gedanken der Männer nicht von Gott abzubringen. Angesichts der „großen Frauenkoalition“ bedrückt mich der Gedanke, ob an der oben genannten Sicht über Frauen nicht doch etwas Wahres ist. Übrigens passt Minerva (Athene) hervorragend dazu. Schon bei Aischylos ist sie, die angeblich aus dem Haupte des Zeus entsprungen ist, diejenige, die das Patriarchat unterstützt. Wie lautet noch mal die alte Volksweisheit von den Schlächtern und den Kälbern? Und was heißt denn „ein Verbot nützt nichts“? Was, wenn sich die Träger der Swastika (Anm. d. Red.: altindisches Glückssymbol in Form eines Sonnenrades, Hakenkreuzes) darauf berufen? ELVIRA BÜCHNER, Berlin
70 Frauen einer Allparteienallianz haben sich gegen das Kopftuchverbot ausgesprochen. Einige hätte man nicht dabei vermutet, insbesondere diejenigen, die amtlich für die Integration hierzulande zuständig waren und sind: Barbara John und Marieluise Beck.
In einer problemabgewandten „liberalen“ Haltung liefern sie junge Mädchen, die in der Schule eine Chance hätten, etwas anderes – Freiheit – kennen zu lernen als religiöse Unterdrückung, genau dieser aus. Anstatt durch den Kopftuchkonflikt alarmiert, endlich die Trennung von Staat und allen Kirchen zu fordern und durchzusetzen, verfällt die Allparteienfrauenschar in die pseudoemanzipatorische Falle der Duldung von Frauenunterdrückung, weil eine Lehrerin ihre islamische Überzeugung des Kopftuchzwanges, auch beruflich nicht unterdrücken will. Aber da die PolitikerInnen sich z. Z. ohnehin mehr auf eine Politik der Symbole und Imagepflege beschränken, wundert es nicht, dass sie die politisch notwendige Debatte einer Verfassungsdebatte zum Schutz vor religiöser Indoktrination in der Schule scheuen und deswegen die Schwächsten ihrer Umwelt ausliefern.
Wozu gibt es eigentlich den von Feministinnen erkämpften Verfassungsauftrag im Grundgesetz nach Gleichheit = gleichen Chancen? Die 70 Damen sollten mal ohne Auto und Bodygards in den Bezirken spazieren gehen, wo hinter lässig gekleideten Brüdern und strengen Vätern die verschleierten Schwestern und Töchter, wie ihre Mütter, verschwinden. Schon dieser „Kulturkampf“ ist trotz TV verloren, um so nötiger wäre der Ort der Schule eine Chance für alle Mädchen, selbstbewusste Frauen zu werden. Allerdings müssten wir Frauen dann schon auch kämpferischere Models sein als die 70, die Ruhe haben wollen an einer „Front“, die sich vor unser aller Augen antifeministisch, antihomosexuell und antisemitisch militarisiert. Vor dem Kopftuchzwang den Kopf einzuziehen hilft nicht, Kopf hoch meine Damen und Herren! HALINA BENDKOWSKI, Berlin
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