: Rosa Beton
Kampf um die Zukunft: Im Zeughaus feierte der Regisseur Hermann Zschoche Geburtstag mit seinem Film „Insel der Schwäne“ und Drehbuchautor Ulrich Plenzdorf
Zum 70. Geburtstag von Hermann Zschoche, dem Regisseur von Defa-Klassikern wie „Glück im Hinterhaus“ und „Sieben Sommersprossen“, zeigte das Zeughaus in Anwesenheit des Regisseurs und seines Drehbuchautors noch einmal den Film „Insel der Schwäne“, zu dem Ulrich Plenzdorf (ebenfalls Jg. 34) das Szenarium schrieb, nach einem Roman von Benno Pludra. Mit Pludras Kinderbüchern wuchsen im Osten Generationen auf: „Bootsmann auf der Scholle“, „Lütt Matten und die weiße Muschel“, „Die Reise nach Sundevit“.
1980 hat er mit „Insel der Schwäne“ ein erfolgreiches Kinderbuch über die Probleme der Jugend in den neu entstehenden Plattenbauvierteln geschrieben. Der Held Stefan zieht mit seinen Eltern aus dem Oderbruch, wo die Familie bei der Oma gelebt hat, nach Berlin-Marzahn. Statt eines eigenen Floßes hat er jetzt ein Zimmer mit Blick auf Baugruben. Sofort tyrannisiert ihn ein größerer Junge aus dem Haus, und er gerät mit dem Vater aneinander, der als Bauleiter für das Realprinzip steht und den Kindern einen Spielplatz nach ihren Vorstellungen verweigert: „Wenn das Planziel durch ist, dann wird gebaut, anders geht das nicht.“
Baustellenfilme waren ein ureigenes DDR-Genre, hier fand der Kampf um die Zukunft statt. Der Film ist wesentlich härter als das Buch, was das ND seinerzeit Plenzdorf anlastete, den man wegen seiner Sicht auf die Wirklichkeit als „Psychopath“ bezeichnete. Heute wecken die Bilder von durch die Schlammlandschaft zur Schule wandernden Kindern allerdings Rührung, denn soziale Höllen waren die Neubauviertel nie.
Aber für den Film galt, wie überall in der DDR-Kunst: Kritik ist möglich, wenn sie von positiven Leitfiguren „objektiv“ widerlegt wird, sodass am Ende die Rechnung aufgeht. Inzwischen wird im Kino der DDR-Stil ja verzweifelt nachgestellt, da ergibt es einen interessanten Effekt, wenn die Kamera über die Betonlandschaft wandert und ein Kinderchor eine Version von Dickes B avant la lettre singt: „Das ist die Stadt, in der es alles gibt, wir sind in dich verliebt – sie duftet nach Asphalt, wir sind in dich verknallt“.
Zschoche arbeitete immer gerne mit Laien. Damals hätten sie noch Zeit gehabt, die Jugendlichen auszuwählen, monatelang sind sie durch die Schulen gezogen. Mädels fanden sie sofort, die kämen anscheinend schon als Schauspieler auf die Welt, nur die Jungs taten sich schwer. Plenzdorf, der auf dem jährlichen Buchbasar wegen der alphabetischen Reihenfolge der Stände immer neben Pludra saß, hat immer noch Kummer wegen der zensierten Stellen: „Je älter man wird, desto mehr lastet es mir auf der Seele.“ Es ging immer in Wellen mit der Kulturpolitik. Das hing auch von der Außenpolitik ab, für die galt: „Die internationale Lage nimmt ständig zu.“
Zum Abschluss des Abends ergänzt Plenzdorf noch das zensierte Betonlied aus „Insel der Schwäne“: „Man kann ihn rosa färben, man kann ihn nicht verderben, wir werden drüber sterben, und werden ihn vererben.“ Heute wird der vererbte Beton tatsächlich rosa gefärbt, oder rückgebaut. JOCHEN SCHMIDT