: Pasta statt Kaviar
GALA Krise beim 59. Deutschen Filmpreis: Die Büfetts fielen aus und Megaproduktionen durch
Freitagabend, während der Verleihung des Deutschen Filmpreises, gab es eine kleine Panne: Eigentlich sollte Michael Gwisdek für einen Gag mit der Moderatorin Barbara Schöneberger einen selbst gemachten Tomatensalat unter dem Stuhl hervorzaubern. Die Requisite hatte offenbar eine andere Order bekommen und dem Schauspieler eine Schüssel mit Nudelsalat untergeschoben. Macht nichts, befand Schöneberger, immerhin funktioniere der Witz, in dem es irgendwie um die Folgen der Finanzkrise gehen sollte, auch mit Pasta. Die Szene steht für die Verleihung insgesamt: Egal, welche Überraschungen die Veranstaltung zu bieten hatten – meistens waren sie weichgekocht.
Schließlich sollte an diesem Abend niemand allzu hart vor den Kopf gestoßen werden. In Krisenzeiten scheinen sich die Filmkreativen vor allem eines zum Ziel zu setzen: enger zusammenrücken. „Es geht ums Vergeben“, stellte der Schauspieler und Regisseur Detlev Buck den Zweck der Festlichkeiten dar. Und Kulturstaatsminister Bernd Neumann (CDU) versprach, dass Kürzungen der Filmförderung für ihn nicht infrage kämen, und sicherte sich so das Wohlwollen der Anwesenden. So war der Politiker auch der heimlich Stargast des Abends, immerhin hatte er das teuerste Ticket bezahlt: Knapp 2.85 Millionen Euro staatliche Fördergelder wurden aufwändig getarnt als Galaveranstaltung unter den Filmschaffenden verteilt.
Bei den Preisvergaben regierte ebenfalls das Prinzip unbedingter Konfliktvermeidung. Jeder bekam seinen Teil vom Förderkuchen, die Anhänger eines Millionen Euro schweren Eventkinos ebenso wie die Freunde des unabhängigen Films. Deshalb gewann die deutsch-chinesische Historienschau „John Rabe“ in der Königsdisziplin Bester Film sowie in drei weiteren Kategorien, aber der beste Regisseur hieß am Ende nicht Florian Gallenberger, sondern Andreas Dresen. Dessen „Wolke 9“ wurde – bei drei Nominierungen – dreimal ausgezeichnet. Aus der Entscheidung der Akademiemitglieder, sowohl Gallengeber als auch Dresen zu den Gewinnern zu küren, spricht eine bemerkenswerte Neuverteilung der üblichen Kunst-Kommerz-Positionen. Die Produktion von „John Rabe“ hat mindestens 15 Millionen Euro verschlungen, ist bei den Kritikern mäßig angekommen und an den Kinokassen bislang durchgefallen. Dresen andererseits drehte mit einem minimalem Budget und kann dafür auf eine treue Zuschauerschaft setzen, die sich auch vor Themen wie Alterssex nicht abschrecken lässt. Sein Produzent kann beruhigt sein: „Wolke 9“ wird seine Ausgaben weitgehend wieder einholen.
Überraschend war, dass die so unterschiedliche Filmemacher Christian Petzold und Bernd Eichinger ohne eine Trophäe nach Hause gingen. Eichingers „Der Baader Meinhof Komplex“ war der Akademie offensichtlich zu nahe an der Gegenwart und zu nahe an der eigenen Institution, die lange unter dem Verdacht stand, für Eichinger nicht viel mehr als ein gefügiges Gremium zu sein. Solches Misstrauen hat sich spätestens mit dem Filmpreis 2009 widerlegt und kann Eichinger, bei zweieinhalb Millionen zahlenden Zuschauern, auch ziemlich egal sein. Petzolds Dreiecksdrama „Jerichow“ wiederum war bei Kritikern zwar ein Riesenerfolg, der Akademie aber wohl doch mit zu viel Kunstwollen gestrickt. So fallen beim Versuch, Kunst mit Kommerz zu versöhnen, gerade die Filme durch, die für das eine oder das andere einstehen.
DIETMAR KAMMERER