Weniger Lohn schafft keine Jobs

Linksliberale Ökonomen kritisieren auf dem DGB-Kongress für „nachhaltiges Wachstum“ die gängige Wirtschaftspolitik: Steuern zu senken und zu deregulieren sei unwirksam gegen Erwerbslosigkeit

VON HANNES KOCH

Unter den 50 besten Universitäten weltweit steht nur eine deutsche. Heidelberg. Auf Platz 47. Das sagt James K. Galbraith, linksliberaler Wirtschaftsprofessor an der Universität Austin, USA. Woran das wohl liege, fragte Galbraith gestern sein Publikum in Berlin. Antwort: an der schlechten finanziellen Ausstattung der Bildung gerade in Deutschland. Das lässt sich nach Ansicht des texanischen Wissenschaftlers nur ändern, wenn die privaten Kapitaleigentümer stärker zur Finanzierung herangezogen werden. Galbraith plädiert also für eine Kombination aus Erbschaftsteuer und modernem Stiftungsrecht.

So etwas heißt „Neokeynesianismus“ – eine modernisierte Fassung der Theorien des Ökonomen John M. Keynes. Unter diesem Begriff versammeln sich gegenwärtig viele Kritiker der Wirtschaftspolitik, die von der Europäische Union und auch der rot-grünen Bundesregierung praktiziert wird. Eine Bühne fanden die linksliberalen Ökonomen gestern beim Deutschen Gewerkschaftsbund (DGB), der einen „makroökonomischen Kongress“ unter dem Titel „Wege zu nachhaltigem Wachstum, Beschäftigung und Stabilität“ anberaumt hatte. Um die theoretische Alternative zu praktischer Politik zu machen, forderte DGB-Chef Michael Sommer einen „makroökonomischen Dialog“ zwischen Bundesregierung, Gewerkschaften, Wirtschaft und Europäischer Zentralbank.

Was haben die Kritiker an der herrschenden Wirtschaftspolitik auszusetzen? Sie führe zu schärferer sozialer Ungleichheit zwischen Unternehmen und Beschäftigten, Vermögenden und Armen, und sei trotzdem nicht in der Lage, eine ausreichende Zahl an Arbeitsplätzen zu schaffen. In seinem Vortrag untersuchte James K. Galbraith die Behauptung, die Senkung von Unternehmenssteuern und Löhnen beseitige die Arbeitslosigkeit. Sein Ergebnis, erhärtet am Beispiel der USA und der EU: „Ganz im Gegenteil“.

Auch die Politik der Europäischen Zentralbank und den europäischen Stabilitäts- und Wachstumspakt knöpfen sich die Neokeynesianer vor. Botschaft: Konsolidierung der Staatsfinanzen ist gut, darf aber nicht zum Kollaps des Arbeitsmarktes führen.

Der Vortrag von James K. Galbraith endete mit einem konkreten Verbesserungsvorschlag: Der für seine beschäftigungsorientierte Geldpolitik bekannte Alan Greenspan werde seinen Job als Chef der US-Notenbank Fed in etwa einem Jahr aufgeben. „Ich empfehle stark, ihn einzukaufen“, sagte Galbraith augenzwinkernd.