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Archiv-Artikel

Mumie in der Elbe

Ägyptische Locke entdeckt. Zufallsfund entstammt Ladung der 1822 untergegangenen „Gottfried“

Otterndorf taz ■ Für altägyptische Gräber ist der Norden nicht bekannt. Und doch trieben einst Mumien bei Otterndorf an den Strand der Unterelbe. Es war die Nacht des 11. März 1822: Im schweren Sturm war der Lastensegler „Gottfried“ gesunken und mit ihm eine erstrangige Sammlung ägyptischer Altertümer, die Heinrich Carl Freiherr Menu von Minutoli im Auftrag von König Friedrich Wilhelm III. gekauft hatte. Während die leichteren Dinge an Land trieben, liegt der Rest bis heute unter bis zu acht Metern Sand in der Außenelbe.

Ein großer Steinsarkophag aus Sakkara, Hunderte Kanopen, 50 Stelen, 97 Kisten mit kleineren Schätzen und acht Mumien waren an Bord. Die weit zurückliegende Havarie gewinnt Interesse durch einen aktuellen Zufallsfund. Die Ägyptologin Renate Germer fand jetzt bei der Sichtung von koptischen Stoffen des 6. Jahrhunderts in der Textilabteilung des Hamburger Museums für Kunst und Gewerbe ein Stück einer Mumienbinde und eine Haarlocke, die eindeutig einer Mumie von der „Gottfried“ zuzuordnen sind.

Es handelt sich um ein weibliches Mitglied der Archontenfamilie Soter aus Luxor. Denn Locken waren erst in römischer Zeit in Mode und auf die Zeit verweist im Tagebuch des Freiherrn Minutoli nur jenes Grab. Die beiden laut einer Beischrift am 5. April 1822 im damals zuständigen Gericht in Freiburg (Elbe) „mitgenommenen“ Mumienteile waren 1877 ins Museum gekommen – aber in der falschen Abteilung verschollen.

Nach den Kriterien von 1820 waren Schiff und Ladung verloren. Seltsamerweise sind auch die Unterlagen zur späteren Hamburger Auktion der angeschwemmten Ägyptiaca verloren gegangen und eine von Berlinern Ägyptologen 1983 durchgeführte intensive Suche brachte keine Spuren. Der jetzige Fund aber lässt hoffen, dass vielleicht doch noch schwer als ägyptische Pfostensärge erkennbare Zedernholzkisten irgendwo auf dem Dachboden eines Bauernhofs stehen. Das Museum für Kunst und Gewerbe hofft zudem, in nächster Zeit Sponsoren für eine Ausgrabung in der Unterelbe zu finden. Hajo Schiff