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Archiv-Artikel

Vom Wehrspaß zum Wehrsport

Die Polizei verhaftet in Ostwestfalen zwei Neonazis. Dabei werden verbotene Waffen und Munition sicher gestellt. Die Beschuldigten stellen gerne originalgetreue Kämpfe aus dem Dritten Reich nach. Lieblingsmotiv: die Waffen-SS

BAD OEYNHAUSEN taz ■ Verfassungsschutz, Justiz und Polizei haben gestern in Bad Oeynhausen zwei Rechtsextremisten verhaftet und dabei illegale Waffen und Munition beschlagnahmt. Wie die zuständige Polizei Bielefeld mitteilte, handelt es sich dabei um zwei Führungsfiguren des „Europäischen Darstellungsvereins für lebendige Geschichte“ (EDLG). Der Verein ist Mitglied in der weltweiten „Re-Enactment- Bewegung“, deren Ziel es ist, mit möglichst originalgetreuen Uniformen und Ausrüstungsgegenständen historische Schlachten nach zu stellen. Lieblingsmotiv des EDLG ist die „Waffen-SS“ und hierin speziell die „Leibstandarte Adolf Hitler“. „SS-Uniformen sind kein Spielzeug für Erwachsene. Wer dies tut, identifiziert sich mit der auf Hitler persönlich vereidigten Elite-Truppe und dokumentiert dies auch nach außen“, warnte Nordrhein-Westfalens Innenminister Fritz Behrens (SPD) angesichts der Durchsuchungen.

Dagmar Pelzer vom Düsseldorfer Innenministerium sagt, dass es sich dabei um einen einzigartigen Vorfall handele. In Deutschland sei über derartige Veranstaltungen nichts bekannt. „Die nachgestellten Kampfhandlungen finden hauptsächlich in Tschechien und der Slowakei statt“, sagt Ministeriums-Sprecherin Pelzer. Die dortige Gesetzgebung ließe dies zu, außerdem seien derartige Veranstaltungen unter der Bevölkerung durchaus populär. „Dabei handelt es allerdings nicht zwangsläufig um Veranstaltungen mit rechtsextremem Hintergrund“, so Pelzer weiter.

Der EDLG hat bundesweit 80 Mitglieder, von denen etwa 30 den Ideen Nationalsozialismus nahe stünden, heißt es aus Quellen des Bundesamtes für Verfassungsschutz. Die Verbreitung von Neonazi-Propaganda gehöre auch zur Praxis des Vereins. Der EDLG steht seit Anfang des Jahres unter Beobachtung des Verfassungsschutzes. Dabei hatte der Verfassungsschutz auch Hinweise erhalten, dass die beiden in Bad Oeynhausen wohnenden Mitglieder Waffen benutzen, deren Besitz nach Waffen- und Kriegswaffenkontrollgesetz in Deutschland strafbar ist. Zum spielzeugfernen Arsenal gehören unter anderem ein funktionsfähiger Verschluss eines Maschinengewehrs MP 42, eine Maschinenpistole MP 40, eine Eigenbauwaffe, sowie etliche andere Waffen und Munitionsbestände, für die beide Angeklagte keine Berechtigung besitzen. Bundeskriminalamt und das Landeskriminalamt in NRW wollen die Waffenfunde auswerten. Die Beschuldigten wurden gestern dem Haftrichter vorgeführt.

Beide Personen sind keine Unbekannten. Der 31-jährige Vorsitzende des EDLG wurde in der Vergangenheit bereits wegen der Verwendung verfassungsfeindlicher Symbole, wegen des Verstoßes gegen das Waffengesetz sowie anderer Delikte verurteilt. Sein 20-jähriger Mitbeschuldigter ist nach Informationen des Staatsschutzes bislang nur wegen allgemeinkrimineller Straftaten auffällig geworden. Auch in Mecklenburg Vorpommern und Hamburg wurden Wohnungen nach Waffen durchsucht. Im letzteren Fall wurden die Beamten ebenfalls fündig.

HOLGER PAULER