: Neustart aus dem Abseits
Die Phenomedia Publishing GmbH, Nachfolgerin der insolventen Phenomedia AG, wagt sich mit einem Fußballspiel auf den Softwaremarkt. Das soll die Vergangenheit vergessen machen
AUS GELSENKIRCHENELMAR KOK
Michaela Schaffrath will nicht mehr der Porno-Star Gina Wild sein und Olaf Thon hat schon lange keinen Schnäuzer mehr. Er macht seinen Trainerschein an der Sporthochschule Köln, um nicht mehr vom Wohlwollen des Schalke-Managers Rudi Assauer abhängig zu sein. Die Phenomedia Publishing GmbH will mit der Pleite der Phenomedia AG am liebsten nichts mehr zu tun haben. Alle drei trafen sich am Donnerstag Abend in der Schalke Arena, um beim Uefa-Cup-Spiel Schalke 04 gegen Ferencvaros Budapest an ihrer neuen Zukunft zu arbeiten.
Die nahe Zukunft für Phenomedia heißt „Crazy Kickers“ und ist ein Computer-Fußballspiel, in dem kleine Pandabären versuchen, im Laufe eines Turniers die zu Anfang fast übermächtig gut spielenden Affen zu schlagen. Für die Software-Schmiede ist das Spiel der Versuch, im mittleren Preissegment der Computerspiele erfolgreich zu werden und die skandalöse Vergangenheit der Aktiengesellschaft abzuschütteln. Während in Bochum die ehemaligen Manager des Unternehmens vor Gericht sitzen, wagen die 44 Mitarbeiter der Wattenscheider Firma einen eher mittelständischen Neuanfang. Peter Schroer, einer der Geschäftsführer des Unternehmens und einer der drei neuen Gesellschafter sagt, „es wird Zeit, dass über Phenomedia mal wieder positiv berichtet wird“. Gerade am Standort Bochum sei es wichtig, „dass Phenomedia momentan fünf Azubis ausbildet“, sagt Schroer.
Während Phenomedia-Gründer Markus Scheer vor Gericht sitzt, arbeiten in Wattenscheid die Phenomedia-Mitarbeiter auf nur noch einer Etage des ehemaligen Firmensitzes. In Scheers ehemaligen Büro sitzen dichtgedrängt 13 Grafiker und designen neue Bildschirmhelden. „Wir haben mit die besten Grafiker Deutschlands“, sagt Art Director Ralf Marczinczik, das habe auch während des Insolvenzverfahrens dazu beigetragen, die Firma erhalten zu können. Mittlerweile gehört die Software-Firma Schroers AK Tronic und zwei holländischen Kapitalgesellschaften. Zusätzlich zum Computerfußball sind die Wattenscheider mit den Filmspielen „(T)raumschiff Surprise“ und „7 Zwerge“ im Geschäft. „Für die Umsetzung von Kinofilmen kommen die Produzenten mittlerweile auf uns zu“, sagt Mit-Geschäftsführer Klaus Forch, und die deutschen Filmlizenzen liefen wie geschnitten Brot. „Das gibt uns das Geld, das uns in die Lage versetzt, neue Sachen durchzusetzen“, sagt Forch.
Deshalb spielt in „Crazy Kickers“ der Panda-Klub „VFB Eukalyptus“ gegen die Affenmannschaft „FC Banana“, und vor dem Cup-Spiel in der Schalke Arena Ex-Gina gegen den Ex-Schalke-Traineraspiranten Olaf Thon. Über den großen Videowürfel der Arena können die Zuschauer ein munteres Toreschießen beobachten, „Gina Wild“-Darstellerin Schaffrath sagt nach Uefa-Cup-Spielbeginn in der VIP-Loge, sie habe das Spiel schon zu Hause und „im Auto“ gespielt. Unterdessen schießen die in eukalyptus-grün angetretenden „Crazy Kickers“ von Ferencvaros ihr erstes Eigentor. Dem steht auch Schaffrath in nichts nach, als sie sich kurze Zeit später an den in der Loge aufgebauten Spielcomputer stellt und sagt, jetzt müsse ihr aber erstmal jemand zeigen, „wie das hier geht“.
Die Vergangenheit lässt sich eben nicht so leicht abschütteln, das kann auch Phenomedia-Sprecher Tom Putzki berichten. Es gebe immer noch Alt-Aktionäre, die wütend in der Firma anriefen, um über die Betrügereien zu schimpfen. Wenn die gar nicht aufhörten, frage er dann: „Wissen Sie eigentlich, wie viele Aktien ich besessen habe?“ Für Putzki ist das Fußballprogramm die Chance, die Firma in eine positive Zukunft zu führen. Und Art Director Marczinczik sagt, zu den Computerspielern habe die Firma nach wie vor einen guten Draht. „Wir bekommen zu unseren Spielen von den Zockern nach wie vor viel Feedback“, sagt er. Die Spieler würden Ideen zuliefern und teilten über die Netzseiten Verbesserungsvorschläge mit. Als Dank für einen Fan-Tipp aus Norwegen zum Spiel mit dem Schafbock „Sven“ haben die Phenomedia-Programmierer sogar dessen Haus als Spiel-Level realisiert. Auf ähnliche Resonanz hofft Marczinczik auch für „Crazy Kickers“. Dann ließe sich das Programm bis zur WM im nächsten Jahr im Gespräch und somit auch in den Läden halten.