: Standbein in der Einflugschneise
Im Konflikt um die Pistenverlängerung ist Airbus wichtige Antworten schuldig geblieben. Sterbendes Dorf versus schwindsüchtiger Wirtschaftsstandort: Senat und Airbus-Gegner beschwören Extrem-Szenarien. Eine Analyse
Die Juristen des Senats basteln eifrig daran, den Planfeststellungsbeschluss für die Landebahnverlängerung in Neuenfelde nachzubessern. Noch im Dezember wollen der Senat und Airbus die nötigen Schriftsätze bei der planfeststellenden Wirtschaftsbehörde einreichen. Im Frühjahr soll der neue Beschluss stehen. Dass sich der Senat diesmal vor den Gerichten durchsetzen wird, ist angesichts dessen, was der Senat nachzulegen hat (taz berichtete), ungewiss. Zeit, die zentralen Argumente Revue passieren zu lassen.
Mit ihrer Verlängerung würde sich die Airbus-Werkspiste bis auf 200 Meter an Neuenfelde heranschieben. Im Jahresdurchschnitt würden Airbus zufolge 16 Flieger pro Tag über das Dorf hinweg starten und landen, darunter höchstens ein Riesen-Airbus A380. Wegen der Windrichtungen führten 40 bis 50 Prozent der Flüge nicht über das Dorf hinweg. Spitzen von 35 Flügen an einem Tag seien möglich.
Der von den Flugzeugen ausgehende Lärm war Gegenstand eines Mediationsverfahrens. Airbus zeigte sich zwar zu Messungen bereit, wollte aber nicht den Triebwerkslärm begrenzen. Airbus und der Senat behaupten, der Konzern habe seine „Bereitschaft zu Lärm reduzierenden Maßnahmen erklärt gegenüber den Annahmen im Planfeststellungsverfahren 2000“. Dem Bericht des Mediators ist das nicht zu entnehmen. Eine Überschreitung von Grenzwerten soll bloß erörtert werden und es soll „nach geeigneten Maßnahmen gesucht werden“. Auch eine Einschränkung der Betriebszeiten (6 bis 22 Uhr) lehnte Airbus ab.
Das Gleiche gilt für eine bescheidenere Pistenverlängerung. 238 der 589 Meter begründet Airbus mit dem höheren Gewicht der Frachtversion des A380, 74 Meter gelten dem Konzern als „Entwicklungsreserve“ und 277 Meter brauchten die Megamaschinen zusätzlich, wenn sie nicht wie bisher in einem Winkel von 3,5 Grad, sondern von drei Grad heranschweben sollten. 3,5 Grad sind nur mit einer Ausnahmegenehmigung zulässig. Wie das Oberverwaltungsgericht (OVG) bemängelte, bemühten sich Senat und Airbus nicht um eine Beibehaltung dieser Ausnahme. Im ersten Planfeststellungsverfahren 2000 hatte Airbus einen Winkel von 3,5 Grad noch akzeptabel gefunden. Jetzt sollen es der Sicherheit zuliebe drei Grad sein.
Berkemann regte an, der Senat möge sich vom Bundesverkehrsministerium bestätigen lassen, dass eine abermalige Ausnahme nicht genehmigt werde. Die Pisten-Gegner vermuten, dass Airbus von Anfang an einen Winkel von drei Grad wollte, was wegen der Verschiebung des Aufsetzpunktes eine längere Piste nötig macht. Das Spiel mit den Landewinkeln wäre dann Teil einer oft zitierten Salami-Taktik. Die Neuenfelder wähnen nach diesen Erfahrungen, die aktuell drohende Pistenverlängerung sei nicht die letzte. Airbus bot an, vertraglich bis zu 30 Jahre lang auf eine weitere Landebahnverlängerung zu verzichten.
Das stärkste Argument des Senats ist die Stärkung der Wirtschaft durch ein industrielles Standbein. Hamburg soll möglichst ungehindert vom Wachstum der Luftfahrt profitieren. Insgesamt knapp 3700 Arbeitsplätze sollen in der Metropolregion durch den A380 geschaffen worden sein. Unter Vorbehalt des Risikos von Unternehmensentscheidungen erscheinen die Prognosen, dass noch einmal so viele entstehen werden, wenn die Produktion des A380 voll angelaufen ist, plausibel.
Das OVG hat aber erklärt, dass der Verzicht auf eine Auslieferung des Frachtflugzeuges nicht zwingend zur Folge hat, dass die Passagierversion nicht ausgeliefert werden kann und viele Arbeitsplätze nicht entstehen. Das ist eine Entscheidung im Konzern, die das Gericht als Druckmittel nicht akzeptiert hat. Bisher hat Airbus nicht erklärt, warum eine Auslieferung der Frachter und anderer schwerer Versionen von Toulouse oder von Fuhlsbüttel aus nicht möglich sein soll. Die Flugzeugbauer verweisen bloß auf den Ruf des Standorts. Gernot Knödler