schöne bescherung
: Schenkt mir nichts

Das ist eine außerordentlich peinliche Angelegenheit. Ein Kindheitstrauma, wenn nicht irgendein genetischer Defekt. Die Sache ist: Ich hasse es beschenkt zu werden. Grausam ist es, ein in glänzendes Papier gehülltes, mit Kunststoffschleife verschnürtes, wohlmeinendes Präsent zu erhalten. Nein, das ist keine Selbstlosigkeit, ganz und gar nicht, auch wenn man die abartige Neigung offensiv locker als schwer moralische geben-ist-schließlich-seliger-als-nehmen-Mentalität kaschieren könnte. Aber gegen das schlechte Gewissen würde das gar nichts nutzen.

Es ist nämlich eine Neidsache: Das Geschenk der anderen ist immer größer, schöner, besser, eine Goldmedaille im Olymp der Geschenkideen. Meins dagegen: Ein vierter Platz. Das ist schon seit frühester Kindheit so, wahrscheinlich war schon die zum Stillen dargebotene Brust in meiner Säuglingswahrnehmung die jeweils milchärmere. Meine Weihnachtserinnerungen gehen so: Kerzen an, Lieder singen, aha, da sind die Geschenke. Mein Stapel wirkt aber irgendwie kleiner als der von Bruder A. Und der von Bruder B. erst. Aber das hier sieht immerhin recht vielversprechend aus. Also: ratzfatz die Verpackung aufgerissen, na also, genau, was ich mir gewünscht habe, haarklein bis aufs Detail mit allen Vorgaben erfüllt, wie schön!, naja aber in der Vorstellung hatte es noch einen Tick besser ausgesehen. Und gerade beginnt Bruder A. genüsslich eines seiner sorgfältig eingeschlagenen Päckchen ebenso sorgfältig auszuwickeln. Und allmählich, aber immer deutlicher kommt genau das zum Vorschein, was insgeheim der eigene sehnlichste Wunsch gewesen war, der eigentliche Wunsch, der allerdings so tief im Herzen gehegt und gepflegt wurde, dass ich nie gewagt hätte, ihn zu formulieren, geschweige denn, auf seine Einlösung zu hoffen.

Krankhaft, wie gesagt. Ich wollte das eigentlich therapieren lassen, allgemein und im Hinblick auf ein gesundes Familienleben. Zu lernen, wie man sich beschenken lässt, war mein fester Vorsatz. Aber daraus wurde nichts. Der Termin beim Analytiker brachte eine schlagartige Wende, genauer, der Aufenthalt in seinem Wartezimmer. Ein Psycho-Wartezimmer ist nie besonders voll, aber wenn man warten muss, dann muss man länger warten und hilflos die Nachrichtenmagazine, Ersatz-Nachrichtenmagazine, Männer, Friseur- und Frauenfachzeitschriften, die man nicht geschenkt haben möchte, als einzig verfügbare Kommunikationspartner konsultieren. Dabei fiel mein Blick auf eine Textzeile, die ich mir ob ihrer Überzeugungskraft sofort und ungeprüft zu eigen gemacht habe, und die es mir erlaubt, mit meinem Leiden offensiv und selbstbewusst umzugehen. Sie lautete: „Paare, die einander nichts zu Weihnachten schenken, haben ein erfüllteres Sexualleben.“ Daraufhin habe ich mir die weitere Behandlung geschenkt. B. Schirrmeister