: Schwere Niederlage für Kurei in Kairo
Nach den gescheiterten Waffenstillstandsverhandlungen in der ägyptischen Hauptstadt befürchten palästinensische Politiker ein politisches Chaos. Die Oppositionsfraktionen fordern mehr Mitspracherechte. Israel lehnt ein bilaterales Abkommen ab
AUS JERUSALEM SUSANNE KNAUL
Nach dem Scheitern der viertägigen Waffenstillstandsverhandlungen in Kairo hat die israelische Polizei eine erhöhte Alarmstufe ausgerufen. Nachrichtendienstlichen Informationen zufolge bestand die Gefahr, dass ein palästinensischer Attentäter nach Israel eingedrungen war.
Der Abbruch der Kairoer Gespräche ist eine schwere Niederlage für den palästinensischen Premierminister Ahmed Kurei (Abu Ala). Er hatte sich die „Hudna“, den zunächst auf ein Jahr beschränkten „Waffenstillstand“, zu seinem ersten großen Ziel gesetzt. „Die Meinungsunterschiede sind nicht sehr groß“, versuchte Abu Ala den Konflikt innerhalb der zwölf palästinensischen Fraktionen, die an den Gesprächen teilgenommen hatten, herunterzuspielen. Die islamischen Fundamentalisten hatten die von der ägyptischen Regierung vorgeschlagene Formel abgelehnt, die Angriffe gegen Zivilisten „ohne Vorbedingungen“ einzustellen.
Der ägyptische Geheimdienstchef General Omar Suleiman, der schon bei früheren Verhandlungen über einen Waffenstillstand unter den palästinensischen Fraktionen vermittelte, hatte keine leichte Aufgabe. Dies lag auch an der Unterzeichnung der „Genfer Initiative“, eines Entwurfs für einen israelisch-palästinensischen Friedensvertrag, vor knapp einer Woche.
Der Entwurf ist für die islamischen Fundamentalisten und große Teile innerhalb der führenden Fatah-Fraktion von Palästinenserpräsident Jassir Arafat schon deshalb untragbar, weil er den Verzicht der palästinensischen Flüchtlinge auf ihr Rückkehrrecht beinhaltet.
Dschibril Radschub, Berater für Nationale Sicherheit in Ramallah, der die palästinensische Führung in Genf repräsentierte hatte, schränkte in Kairo ein, dass Arafat nicht den Entwurf „gesegnet“ habe, sondern lediglich „das israelische Friedenslager“.
Mifleh Nadi, Mitglied der Palästinensisch-Arabischen Front, erklärte, dass fünf der in Kairo vertretenen Fraktionen die politische Autorität der palästinensischen Regierung zur Debatte stellten. Vor allem die islamischen Fundamentalisten hielten die PLO „nicht für die alleinige Vertretung der Palästinenser, sondern nur für eine Option“.
Radschub rief die oppositionellen Fraktionen dazu auf, am „Entscheidungsprozess teilzuhaben“. Zugleich hofft er, dass dies „im Rahmen der PLO“ geschieht. Die Regierung in Ramallah drängt auf eine baldige Wiederaufnahme der Verhandlungen. Offenbar liegt den islamischen Fundamentalisten ebenso wenig wie Radschub daran, den Streit in ein politisches Chaos ausarten zu lassen.
Während die Fatah die „Hudna“ nicht an Bedingungen knüpft, verlangen Hamas und Islamischer Dschihad ein beidseitiges Abkommen. Die Regierung in Jerusalem lehnt einen offiziellen bilateralen Waffenstillstand indes unverändert ab. „Israel hat keinen Anteil an den Verhandlungen“, meinte Premierminister Ariel Scharon, dennoch betonte er, dass „Israel ein Interesse an dem Waffenstillstand hat“.