: Suche nach Wanzen geht weiter
SPIONAGE Mehrere Telefone der Asklepios Kliniken in Hamburg waren verwanzt. Abgehört wurden die Chefetage, der Pressesprecher und der Betriebsrat. Die Stadt wurde vorerst nicht informiert – obwohl sie Anteile an Asklepios hält
Der Asklepios Konzern wurde 1987 gegründet und hat sich seitdem stetig vergrößert. Kliniken betreibt die Gruppe in fast jedem Bundesland.
■ Die Asklepios Kliniken Hamburg GmbH ist aus den Allgemeinen Krankenhäusern Hamburgs hervorgegangen. Diese wurden 1981 zum Landesbetrieb Krankenhäuser Hamburg (LBK) zusammengefasst.
■ Nachdem der LBK 1995 juristisch selbstständig wurde, genehmigte der Hamburger Senat 2004 den Verkauf der Krankenhäuser an die Klinikgruppe Asklepios. Erst 2007 wurden dem Unternehmen 74,9 Prozent des LBK verkauft. Die Stadt Hamburg behielt eine Sperrminorität von 25,1 Prozent. Die Stadt wollte jederzeit einen Einblick in und Einfluss auf die Geschäftsführung der Kliniken haben.
■ In Hamburg gehören zehn Kliniken zu Asklepios. Wanzen wurden bisher nur am Verwaltungssitz im Stadtteil Barmbek gefunden. JV
VON JOSEPH VARSCHEN
Bereits vor einem Monat wurden die Abhörgeräte in Telefonapparaten der Chefetage in der Asklepios-Verwaltung im Rübenkamp entdeckt. Als daraufhin weitere Geräte untersucht wurden, stellte sich heraus, dass auch das Telefon des Pressesprechers Rudi Schmidt sowie der Apparat von der Vorsitzenden des Gesamtbetriebsrats verwanzt waren. Die Klinik hoffte den Fall intern aufklären zu können und war daher bemüht, den „Kreis der Informierten sehr klein zu halten“, so zitiert Asklepios die Hamburger Staatsanwaltschaft, die sich des Falls angenommen hat.
Auch die Stadt erfuhr erst vorletzten Freitag von dem manipulierten Telefonen. Dabei hält Hamburg 25,1 Prozent der Asklepios-Anteile in Hamburg. Der Abgeordnete Peter Tschentscher (SPD) stellte jetzt eine Parlamentarische Anfrage, die klären soll, warum der Abhörskandal „wochenlang vor der Stadt als Mitgesellschafter geheim gehalten wurde“. Eine Antwort des Senats wird am Dienstag erwartet.
Die Information über den Abhörskandal waren zunächst nur einem exklusiven Kreis zugespielt worden. Bei einer Inspektion in der Chefetage vor vier Wochen zeigten die Apparate „technische Auffälligkeiten“, weitere Untersuchungen brachten Wanzen im Pressebüro und im Betriebsrat zum Vorschein.
„Ich war geschockt, als in meinem Beisein festgestellt wurde, dass mein Telefon verwanzt sei“, sagt Katharina Ries-Heidtke, Gesamtbetriebsrats-Vorsitzende. Die Konzernzentrale in Königsstein wurde sofort informiert und schaltete das Unternehmen „Ernst & Young“ ein, um den Fall aufzuklären. Noch wusste niemand außerhalb der Klinik von den Spionageaktivitäten in den Asklepios Geschäftsräumen. „Die nehmen die Stadt als Anteilseigner nicht ernst, die Konzernleitung behandelt Hamburg, wie einen Wurmfortsatz“, wettert Ver.di Landeschef Wolfgang Rose, der auch stellvertretender Aufsichtsratsvorsitzender der Klinikgruppe ist. Er sei über Ries-Heidtke frühzeitig auf den Skandal aufmerksam gemacht worden.
Nachdem die internen Ermittlungen zunächst keine Erkenntnisse brachten, schaltete Asklepios die Staatsanwaltschaft ein. Am vorletzten Donnerstag trafen sich Ries-Heidtke, Rose sowie Vertreter der Geschäftsführung aus Hamburg und Königsberg zu einem Beratungsgespräch mit den Staatsanwälten in Hamburg.
Die Stadt erfuhr erst einen Tag später von dem Abhör-Skandal im Asklepios-Konzern. „Mir ist dann aufgefallen, dass die Stadt noch gar nicht Bescheid weiß“, erinnert sich Scholz, „ich habe dann am Freitag den Staatsrat Dr. Michael Voges über die Sache informiert.“
Bis die Information ins Rathaus durchgesickert war, lag in der Staatsanwaltschaft Hamburg bereits ein Strafantrag gegen Unbekannt vor, auf den man sich am Vortag verständigt hatte. In der Pressemitteilung der Asklepios heißt es: „Bei dem Treffen hat die Staatsanwaltschaft den Rat erteilt, den Kreis der Informierten sehr klein zu halten, um Ermittlungen nicht zu gefährden.“ Aus diesem Grund seien auch große Teile des Betriebsrates und der Präsidialausschuss des Aufsichtsrates erst nachträglich informiert worden. Die Staatsanwaltschaft führt momentan Vorermittlungen wegen „wegen Verletzung der Vertraulichkeit des Wortes“, so Sprecher Wilhelm Möllers. Ansonsten warte man auf weitere Informationen der Betroffenen.
Die für Asklepios zuständige Finanzbehörde forderte inzwischen, den Vorfall lückenlos aufzuklären. „Die Stadt ist Anteilseigner und sollte in dieser Sache nicht als Zuschauer fungieren“, sagt Scholz. „Die Stadt muss dringend in der Sache aktiv werden oder sich zumindestens an den externen Ermittlungen beteiligen.“ Der Skandal stelle einen schweren Vertrauensbruch zwischen der Stadt und dem Klinikkonzern dar.
Noch ist vollkommen unklar, wer der Urheber des Lauschangriffs sein könnte und welche Hintergründe hinter der Spionageaktion stecken. Es sei noch nicht einmal geklärt, ob die versteckten Wanzen überhaupt funktionstüchtig gewesen sind. Momentan befinden sich die Abhörgeräte bei den Wirtschaftsprüfern „Ernst & Young“, dort werden die Wanzen momentan untersucht.
„Wanzen installieren ist eine der einfachsten Sachen der Welt. In manchen Kreisen absolute Routine“, sagt der Hamburger Detektiv Joachim Sippel. Die Verwaltung im Rübenkamp stelle ein besonders einfaches Ziel dar. „Das ist ein altes Gebäude ohne große Sicherheitsschranken.“ Mit einem Wischeimer und blauen Overall komme man in den Abendstunden in nahezu jedes öffentliche Gebäude. „Die Wanzen können blitzschnell installiert werden.“ In Industriespionage werden oft fünfstellige Summen gezahlt. „Solche Abhöraktionen sind zwar verboten, aber bei solchen Summen, werden sich schon ein paar schwarze Schafe gefunden haben.“
Die Reichweite der Wanzen könne je nach Typ mehrere Kilometer betragen. „Die Gespräche können dann bequem in einer Zentrale aufgezeichnet werden“, erklärt Sippel, „oder bei schwächeren Sendern beispielsweise in einem Wagen in der Nähe direkt mitgeschnitten werden.“ Die Aufwand der Installation von Abhörtechnik ist klein, die Angst Opfer zu werden entsprechend groß.
Die Suche nach Wanzen in den Asklepios-Kliniken geht unterdessen weiter. „Gestern haben wir weitere Büroabschnitte des Betriebsrates nach Abhörtechnik untersucht“, sagt Ries-Heidtke. Weitere Inspektionen hätten bisher keine neuen Ergebnisse ergeben.
Neuigkeiten zur weiteren Entwicklung werde es in den nächsten Tagen geben, heißt es aus der Staatsanwaltschaft. Im Laufe dieser Woche sollen alle Büros nach Wanzen gefilzt werden. Auch die Untersuchungsergebnisse von „Ernst & Young“ sollten demnächst vorliegen. Eine Reaktion der Stadt auf den Überwachungsskandal lässt bisher auf sich warten.