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Archiv-Artikel

Die Revolution am grünen Tisch

Borussia Spandau steht verlustpunktfrei an der Spitze der Tischtennis-Regionalliga. Am Sonntag wurde sogar der Vorjahresmeister Tennis Borussia mit 9:7 geschlagen

Es gleicht einer Graswurzel-Revolution, was Borussia Spandau anstellt. Erst vor sieben Jahren aus dem Mehrspartenverein SF Kladow ausgegründet, untergräbt der Tischtennis-Club in der Regionalliga das Fundament des Berliner Pingpong-Establishments. „Dass die Mannschaft so toll einschlägt“, gesteht Borussen-Manager Klaus Lietzau, „das hätte ich nicht gedacht.“

Nach neun Spielen in Norddeutschlands Top-Liga führt der Neuling von der Havel das 12er-Feld ohne Punktverlust an. Die namhaften Rivalen aus der eigenen Stadt, „3.B-Tischtennis“ und Vorjahresmeister Tennis Borussia, haben das Nachsehen. Am Sonntag schlug Spandau auch Tennis Borussia nach einem fünfstündigen Match mit 9:7.

Der 51-Jährige Lietzau ist ein „positiv Verrückter“, der zum Tischtennis fand, weil ein Familienangehöriger gekonnt die Keller schwingt. „Mein Sohn Markus ist das Zugpferd gewesen“, erzählt der TTC-Manager. Sein Junior zählte als Teenager zu Deutschlands großen Talenten. Gemeinsam mit dem aktuellen Superstar Timo Boll wurde Markus 1998 Jugend-Europameister in der Mannschaft. Nach seinen Wanderjahren durch die Bundesliga (Hannover, Würzburg) kehrte Markus Lietzau 2003 nach Berlin zurück, weil er einen Studienplatz in Medizin ergattern konnte.

Um ihn herum baute Papa ein schlagkräftiges Team: Patrick Strahl (Finow) und Sven Wollenberg (Merseburg) wurden nach Berlin reimportiert, von Lokalrivale Hertha BSC kam Thomas Englert. Norbert Adolph von GutsMuths Berlin verpflichtete der alte Lietzau nur unter der Bedingung, dass der 40-jährige Defensivkünstler im reifen Alter noch das Angreifen lernt. „Heute ist er mein Lieblingsschüler“, sagt der TTC-Macher.

Mit hohen Prämien kann Emporkömmling Spandau bei einem Etat von zirka 30.000 Euro nicht locken. „Dafür muss ich Klinken putzen“, erzählt Lietzau, der auf familiäre Atmosphäre und eine profunde Nachwuchsarbeit setzt. Er weiß, dass ein angenehmes Feeling für die 2. Liga nicht ausreichen würde. „Aus eigener Kraft werden wir es nicht schaffen“, befürchtet der Manager, „es sei denn, es kommt ein Verrückter und gibt uns das fehlende Geld.“

Auf diesen Wundermann wartet die hiesige Zelluloid-Szene bislang vergeblich. Der letzte Magnat, der richtig Kohle auf die Tischtennisplatte blätterte, hieß Thomas Friese. Der Unternehmer motzte vor einem Jahrzehnt die betuliche Hertha 06 zu „Super Donic“ auf und sorgte mit Weltstars wie Jörgen Persson oder Steffen Fetzner in der Bundesliga kurzzeitig für Furore. Auch Markus Lietzau war mit von der Partie – als Reservespieler.

An eine Kooperation oder gar Fusion an der Spree zwecks Konzentration der Kräfte glaubt Lietzau nicht. Branchenführer Hertha hält er für eine „ungesunde Geschichte, die spielen mit einem Oldie-Team.“ TeBe sei wie „3.B“ vom Wohlgefallen ein zelner Funktionäre abhängig. „Eine Fusion würde da nicht klappen, weil die Leute, die das Geld geben, die neuen Strukturen nicht mittragen würden“, kritisiert Lietzau. JÜRGEN SCHULZ